http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0118
102 Zeitschrift für Parapsychologie. 2. Heft. (Februar 1927.J
merei. leb habe daher keine Veranlassung, in die Zuverlässigkeil ihrer Darstellung
irgendwelche Zweifel zu setzen und kann ihre Mitteilungen den Lesern
dieser Zeitschrift mit bestem Gewissen als Material für wissenschaftliche Ueber-
legungen unterbreiten. Es sind die folgenden:
1. Den ersten merkwürdigen Traum hatte sie im Alter \on 16 Jahren, in
ihrem Zimmer hing damals ein Bild, das sie selbst als dreijähriges Kind und
ihren nach Amerika ausgewanderten Bruder Fritz darstellte. Dieses Bild erschien
ihr im Traum, jedoch ging alsbald eine merkwürdige Veränderung mit
ihm vor. Die beiden Kinder verschwanden aus dem Rahmen, dafür erschien eine
Landschaft, eine schöne Wiese, auf der das vor etwa drei Jahren im Aller von
drei Jahren verstorbene Schwesterchen der Träumenden saß. Dieses Kind
hatte ein großes aufgeschlagenes Buch auf dem Schöße liegen. Die Träumende
fragte das Kind, das sich jetzt nach ihr umdrehte: Ja, wo bist denn du?
Das Kind antwortete: Bei vielen Kindern. Alsdann las das Kind aus dem
Buch eine große Anzahl von Namen solcher Kinder vor, die bei ihm seien.
Bei der Nachprüfung am andern Tag ergab sich's, daß es lauter solche Kinder
waren, die ungefähr zu gleicher Zeit mit ihm gestorben waren. Nun trat eine
weitere Gestalt in den Bildrahmen. Es war ein junger Mann, der über die
Wiese dahinschritt, ohne sich umzudrehen. Das Kind zeigte nach ihm hin und
sagte: Das ist unser Bruder Fritz (eben der Auswanderer), der ist unstet
und flüchtig.'* Hierauf nahm das Bild wieder seine ursprüngliche Gestalt an,
und die Träumende erwachte.
2. Im Alter von 18 bis 19 Jahren war sie in Augsburg in Stellung. Einmal
erwachte sie des Morgens in übler Stimmung, weil sie sich unwohl fühlte.
Da sich ihr Befinden nicht besserte, war sie den ganzen Tag über betrübt und
weinte zuweilen auch. Tn der Frühe der andern Nacht hatte sie folgenden
Traum: Sie sah eine schöne, große Wiese mit vielen weißgekleideten Kindern
darauf, als ob ein Fest daselbst abgehalten würde. Als sie sich überlegte, ob
sie da wohl hineingehen dürfe in ihren Werktagskleidern, wurde sie von hinten
an der Schuller berührt und erkannte nun beim Umdrehen ihre vor nicht
ganz einem Jahr verstorbene Freundin mit einem Stab in der Hand, den
diese statt der Worte zur Zeichengebung benutzte. Sie war in ein weißes Faltenge
wand gekleidet. Die erste Bewegung des Stabes war eine Aufforderung, ihr
zu folgen. Es ging zunächst eine lange Strecke weit über das Wiesengelände,
cfcnn über einen Bach, dessen Ueberschreitung schwierig war. Auf drei im
Bache liegenden Steinen, auf welche die Führerin mit ihrem Stabe hingezeigt
hatte, kennte der Bach alsdann überschritten werden. Der Weg zog sich vom
andern Ufer aus noch sehr in die Länge, bis er endlich vor einem sehr großen
Hause endete. Auf ein Zeichen mit dem Stab gingen zwei große Flügeltüren
auf. Im Innern des Gebäudes zeigte sich eine hochanstrebende Terrasse, auf
der eine Menge sehr lebhaft sich bewegender Kinder in einer Flut blendenden
Lichts zu sehen war. In der Mille der Terrasse sah man Engel mit großen,
Flf-geln. Nachdem die Führ^rin den Kindern einen freundlichen Blick zugeworfen
hatte, gab sie mit dem Stab ein Zeichen, und alles war verschwunden,
auch die Führerin. Nur die Landschaft war noch da, durch welche die Träumende
den Rückweg allein antreten mußte. Es hatte sich inzwischen am Weg
und der Landschaft nicht das Geringste verändert. Auch der Bach mußte
wieder überschritten werden. Beim Erwachen fühlte sie sich wunderbar beglückt
und erhoben. Alles Leid war verschwunden.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0118