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Zeitschrift für Parapsychologie. 2. Heft. (Februar 1927.)
starb. Wenige Minuten zuvor hatte Frau W. ihr Träumerlebnis einem bekannten
Herrn erzählt.
Was an diesen Träumen und Visionen, die übrigens in dieser Art nichl
gerade selten sind, in erster Linie in die Augen springt, ist ihre ausgesprochene
„jenseitige" Bildhaitigkeit in Verbindung mit einem Verstorbenen als Führer.
Die Bühne, auf der die tröstenden und Künftiges anzeigenden, zuweilen auch
in ihrem Sinn nicht ganz klar werdenden Bilder vorgeführt werden, ist das
in mystischem Licht erglänzende „Jenseits", das den Charakter eines erklärten
Diesseits hat. Diese Verklärung und Lichtfülle ist, wie ich in „Ewiges
Schweigen —?" (Seite 309 ff.) ausgeführt und begründet habe, die Ueber-
selzung eines gehobenen Gemütszuslandes in ein inneres, in unserem Sinnen-
bewußlsein vorhandenes und also von ihm wahrnehmbares Bild, durch einen
unterbewußten Vorgang. Der Führer ist die auch in mediumistischen
Sitzungen auftretende Personifikation, deren Nichtidentität häufig durch eine
einzige zweckmäßig gestellte Frage leicht nachweisbar ist, womit freilich über
ihr wabres Wesen und über die Frage, ob die Nichtidentität generell ist, nichts
ausgesagt sein soll. Sie ist auch identisch mit der häufig auftretenden inneren
Stimme, der gegenüber sich selbst eine so gläubige Mystikerin wie die hl. Theresia
auf Grund ihrer reichen Erfahrung sehr kritisch verhielt, wenn sie in
ihren Schriften einmal bemerkt: „Man muß s^hr erfahren sein, um zu tmfer-
scheiden, ob die Worte vom guten oder vom bösen Geist herrühren, und um
zu erkennen, ob unser eigener Geist sie sich einbildet oder sie zu
sich selbst spricht. Bis jetzt war mir das letztere nicht ganz klar, aber
seit heute meine ich, daß er wirklich mit sich selbst reden könn e."
Man sieht daraus, wie vorsichtig man gegenüber allen dies?n inneren Stimmen
und Bildern, Personifikationen und Führern sein muß, die sowohl bA ihrem
sponlanen als auch bei ihrem Auftreten in mediumistischen Sitzungen eine
außerordentliche Hartnäckigkeit an den Tag legen, keinen Gründen weichen und
Befehlen einen verdoppelten Widersland entgegensetzen. Wie bei fast allen
inediumistisehen Versuchen, sind auch bei deai Träumen der Frau W. die
führenden Personifikationen Verstorbene, die verstorbene Freundin und der
verstorben'* Mann. Ihre Handlungen und Gewänder, ja selbst die Farben der
Gewänder sind symbolisch. Sie zeigen lrös!ende Bilder und verklärte fLandschaften
in weißem, einen zweiten Gatten in rosa, Trauer in schwarzem Ge-
4wand. Wuchtig und ergreifend, aber nicht ganz eindeutig wie so häufig, ist die
Symbolik im fünften Traum. Man fragt sich vergeblich, aus welchen Regionen
diese Bilder kommen. Ich habe schon früher an andern Stellen auf die Versuche
des Oberarztes Dr. A. N. Ghowrin in Tambow (deutsch von Dr. Alb.
Freih. v. Schrenek-Notzingj hingewiesen, bei denen sich der Inhalt eines verschlossenen
Zettels bei der Versuchsperson, die ihn lesen sollte, zuerst in ein
verschwommenes, fernes Bild verwandelte, das anfänglich als Schnee-, dann
als Sandlandschaft gedeutet wurde, bis nach wiederholten Versuchen endlich
das dem Text entsprechende richtige Bild und ganz zuletzt erst der Text herauskam
. Es scheint sonach, daß Worte und Gedanken etwas wie Schwingungen
aussenden, die sich beim Auftreffen auf einen Empfänger in dessen unterbewußten
seelischen Schichten zuerst in ein Bild und erst bei dessen Annäherung
an das Bewußtsein in das korrespondierende Wort oder in den korrespondierenden
Gedanken umformen, und daß Abstrakta oder allgemeine Wahrheiten
, für die es in der Sinnenwelt keine Bilder gibt, daher zunächst zum
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