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Marcinowski: Okkultismus und Wissenschaft von Dr. A. Hellwig. 117
besonders front, daß Prof. Becher mit objektiven Täuschungen auch von
seilen der Sitzungsteilnehmer selbst gerechnet habe.
Immer wieder wird der Satz bemängelt, daß der eine oder andere von uns
einen Betrug für unmöglich hielte. Darf ich hier noch einmal darauf aufmerksam
machen, daß es noch niemals einem von uns eingefallen ist, jede
Betrugsmöglichkeit aufzuschließen. Unsere ganz psychische Einstellung bei den
Versuchen rechnet ja fortwährend mit Tricks. Der Sinn solcher Worte geht
vielmehr stets daraufhin, einzelne bestimmte Betrugsmöglichkeiten, hier speziell
das Jonglieren mit Armen und Beinen, mit apodiktischer Sicherheit auszuschließen
, wie es durch Ilandfesselung, Käfig und räumliche Distanz vom
bewegten Versuchsobjekt geschehen ist, die skeptische und kritische Beobachtung
des Zustandekommens der okkulten Phänomene habe sich deshalb auf
anderes zu richten. Mehr hat gesunder Menschenverstand auch in dem uns noch
>erbliebenen kümmerlichen Rest niemals damit gesagt, und man darf es sehr
wohl als töricht zurückweisen, wenn wir (im Gegensatz zu unserem ganzen
(Gebaren) nicht mißzudeutende Aeußerungen zu albernen Verallgemeinerungen
umgestempelt sehen müssen.
Mit welchen Argumenten der Verfasser arbeitet, geht auch aus folgender
Andeutung über die so^. kühle nüchterne Stimmung bei den Sitzungen hervor.
Auf S. 71 berichtet er von bösen Entgleisungen, die sich Sch.-N. geleistet habe,
als er die besseren Erfolge einzelner Sitzungen auf die Zusammensetzung der
Teilnehmer zurückführte, und der Verf. schließt daraus, daß es offenbar also
Sitzungen gegeben habe, welche keine Atmosphäre der Nüchternheit \erbreiteten
und nicht ausschließlich einen wissenschaftlichen Zweck verfolgen, bei
denen also an Stelle der nüchternen kühlen Beobachtung gläubige Hingabe an
die mediale Leistung geherrscht Labe; leider könne man nun nie wissen, ob
man nun nicht gerade einen Bericht von einer solchen Sitzung vor sich habe;
Sch.-N. sei sich wohl nicht ganz klar gewesen, wie unvorsichtig er sich mit
dieser Aeußerung bloßgestellt habe« Nun, ich m^ine. eine lange Skala, von
liebenswürdiger und achtunggetragener Menschlichkeit bis zur unliebenswürdigen
Ablehnung a priori und zugeknöpfter Ueberlegenheit, ist auch innerhalb
ernstester Wissenschaftlichkeit gegeben, und Sch.-N. hat bei seinen
Darlegungen doch wohl auch an die außerordentlichen Sitzungen im Heimatort
des Mediums denken müssen.
Wie diese Bemängelung gemeint sei, geht aus der Kritik seiner eigenen
Berichte hervor. Ich hatte die Stimmung meiner ersten Sitzung ausdrücklich als
nüchtern bezeichnet, weil sie mir nach dieser Richtung hin außerordentlich
wohl tat. Ich hatte \on einer weiteren Sitzung mit anderen Teilnehmern die
Stimmung als wesentlich nüchterner als das erstemal bezeichnet und dabei >or
allem an mich selber gedacht, da für mich die neugierige Spannung selbstverständlich
geringer war, als das erstemal. Daraus schließt der Verf., daß sie also
dies erstemal überhaupt nicht nüchtern gewesen sein könne (S. 83). Demnach
hätte ich also bei meinem zweiten Bericht \ergessen haben müssen, was
ich im ersten gesagt und \ermutlich nur die Hochspannung und das wohligp
Gruseln im Gedächtnis gehabt, mit dem ich meiner Einführung in die Geisterwelt
entgegensah. Nun, ich bemerkte bereits, daß ich bis zu jenem Tage mit
ausgesprochener Skepsis geladen war, daß aber mein persönliches Wesen ni 'in
ganzes Leben lang für jede neue Erkenntnis eine offene Bereitschaft besaß;
nie habe ich an alten Dogmen gehangen, nie haben sie mich gehindert, vernünf-
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