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150 Zeitschrift für Parapsychoiogie. 3. Heft. (März 1927.)
Denkübertiagung bei Mensch und Tier,
Experimentalstudien von Karl Krall.
IL Denkübertragung zwischen Mensch und Tier.
(Fortsetzung.)
1. Versuche mit „Stillem Sprechen" beim Klugen Hans.
Unter den vielen Versuchen, die seinerzeit mit dem Klugen Hans angestellt
wurden, gab es eine Art, die einer Erklärung schon damals besondere Schwierigkeiten
bot. Zwar erweiterte die „Wissenschaftliche Kommission" ihre bekannte
Hypothese von den „Unwillkürlichen Zeichen" auch auf diese Fälle, aber seitdem
das Pferd mit großer Scheuklappe arbeitete, konnte unter Berücksichtigung
der ganzen Versuchsanordnung eine Einwirkung optischer Zeichen überhaupt
nicht mehr in Frage kommen.
Diese merkwürdigen Versuche waren schon seit längerer Z°it bekannt, und
Herr v. Osten nannte sie:
„Stilles Sprechen".
Bei diesem Experiment wurden verschiedene Zahlenl) — etwa von i bis 6,
auch Null —, eine Reihe beliebiger Befehle: „links, rechts, oben, unten,
rechter Fuß, linker Fuß, tritt zurück" usw., untereinander mit Kreide auf
eine seirwarze Papplafel geschrieben. Um wählend des jedesmaligen Versuches
ein Sprechen /u vermeiden, wurde Herrn v. 0. von mir durch Hinweis
mit der Hand {dem Pferde unsichtbar) der Befehl auf der Tafel bezeichnet,
den er dem Tiere durch „Stilles Sprechen" übermitteln sollte. Während des
Versuchs stand er etwa 1V2 bis 2 Meter vom Ohre des Pferdes entfernt, und
zwar, um nicht gesehen zu werden, stets an dessen Scheuklappenseite.
Dabei war das Neue und Seltsame der Umstand, daß der Befehl nicht
wie sonst hörbar gesprochen oder geflüstert wurde, sondern für das menschliche
Ohr durchaus unvernehmbar blieb: es war ein „innerliches"
Sprechen. Was ein solches bedeutet, wird sich später ergeben.
Wenn Herr v. 0. seine Befehle durch „Stilles Sprechen*' übermittelte,
so beobachtete ich (K.), zwischen ihm und dem Pferde stehend, ganz nahe,
ob irgendeine Bewegung seines Mundes wahrzunehmen wäre, ob seine Lippen
dabei fest geschlossen blieben.
Außer einem zeitweiligen nervösen Zucken des Kinnmuskels und einem
leichten Vibrieren der Schnurrbarthaare beim Ausaluien war keine noch so
unscheinbare Bewegung des Mundes, insbesondere der Lippen zu bemerken.
Sie waren während des jedesmaligen, nur kurz andauernden Versuchs fest geschlossen
und blieben, bis der Befehl übermittelt war (was 2 bis 5 Sekunden
dauerte), unbeweglich. Ferner hielt ich, in der Linie zwischen v. O.s
Mund und des Pferdes Ohr stehend, mein eigenes Ohr in einem Abstand von
etwa 5 bis 10 Zentimeter dicht an v O.s Mund: bei meinem vorzüglichen Gehör
(durch Versuche erprobt) hätte ich also jeden noch so leise geflüstertetn
Laut hören müssen.
Später, als die Versuche dahin abgeändert wurden, daß v. O. beim Ueber-
mitteln des Befehls den Mund mit einer großen Metallplatte überdeckle,
*) Zu meiner Zeit wurden Zahlen über 5 von Hans, der von seinem Herrn mit
Zählen so geplagt worden war, nur mit starkem Widerstreben und deshalb meist
falsch getreten.
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