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152 Zeitschrift für Parapsychologie. 3. Heft. (März 1927.)
geschlossenen Lippen eine Bewegung „abzulesen" oder irgendeinen Laut wahrzunehmen
, der einen noch so geringen Anhalt zum Verständnis des „Gedachten '
geboten hätte.
Das Ergebnis bei all diesen Versuchen blieb stets vollständig negativ.
Die merkwürdige Tatsache selbst war nicht neu. Derartige Versuche mil
unhörbaren, nur innerlich gesprochenen Fragen oder Befehlen
waren schon früher, namentlich aber im Jahre 1904, verschiedentlich
mit Erfolg angestellt worden. Dir. L. Heck z.B. erwähnt sie in seinem Vortrag
über „Menschen- und Tierseele"*): „Es wurde bald ein zweites am
Klugen Hans zu beobachtendes Phänomen im Kreise der Näherstehenden
bekannt, das zunächst alle vollständig verblüffte und ratlos machte. Man
konnte sich nämlich überzeugen, daß man die Zahlen, welche man dem
Klugen Hans sonst in Form von Rechenexempeln aufgab, nur lebhaft zu
denken brauchte: auch dann schon gab sie das Pferd durch das bekannte
Hufklopfen richtig an. Dieses Experiment habe ich selbst
wiederholt mit dem Tiere gemacht, und ebenso der Professor der
Zoologie zur Strassen in Leipzig, der sich zufällig in Berlin befand und
das Pferd vorher nie gesehen hatte. Anwesend waren dabei unsere Frauen und
Herr Schillings; aber es wußte immer nur der jenige die Zahl,
der sie sich dachte, und Herr Schillings insbesondere diente dabei mir
dem Zwecke, das Pferd zur Aufmerksamkeit zu bringen."
Auch die sog. „Wissenschaftliche Kommission' hatte ähnliche
Versuche angestellt, über die O. Pfungst in seinem Buche an verschiedenen
Stellen kurz berichtet: „Die Experimente gelangen mir ganz ebenso gut, wenn
ich die Frage auch nicht einmal innerlich flüsterte. Es unterlag danach
keinem Zweifel, daß alle Fragestellung überflüssig war." (Pf.
S. 35.) „Von vornherein antwortete mir der Hengst auf meine nur innerlich
artikulierten Fragen ebenso prompt wie auf laut gesprochene."
(S. 68.) „Daß Hans auch bloß innerlich akzentuierten, also nur
vorgestellten Befehlen nachkam, war, wie wir sahen, kein
Beweis für seine außerordentliche Hörschärfe, sondern zeigte
Uelmehr, daß das Ohr des Tieres ganz unbeteiligt war." (S. i32.)
Diese Ausführungen beweisen klar, daß das Pferd schon zu jener Zeit
auf Fragen richtig antwortete, die nicht gesprochen, sondern nur „innerlich
" artikuliert wurden.
Prof. Stumpf dachte damals zunächst „an die Möglichkeit eines unwillkürlichen
Fl ü st^rns durch die Nase, v*ie es der dänische
Psychologe A. Lehmann zur Erklärung sog. telepathischer Fernwirkungien
herangezogen hatte." (Pf. S. 11.) Auch sein Assistent Pfungst schloß sich die^or
Ansicht an2). (S. 54.)
1) Westerm. Monatsh. H. 596, S. 202, 1906.
2) Späterhin wurden dann, wie bekannt, von den Mitgliedern der „Wissenschaftlichen
Kommission" auch die beim „Stillen Sprechen" gegebenen Antworten des
Pferdes lediglich auf „Unwillkürliche Bewegungen" des Fragestellers zurückgeführt.
Prof. Stumpf sagt darüber (S. 186): „Derselbe Erfolg tritt aber auch ein, wenn
Herr Pfungst sich nicht vornimmt, die Bewegungen zu machen, sondern nur die
gewollte Zahlso intensivwie möglichsich vorstellt, weil eben
die erforderliche Bewegung bei ihm dann von selbst auftritt."
Auch Dir. L. Heck berichtet ergänzend (S. 202) zu diesem zweiten, am Klugen
Hans beobachteten Phänomen, „das zunächst alle vollständig verblüffte und
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