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Zeitschrift für Parapsychologie. 3. Heft. (März 1927.)
Zeiten des frühen Christentums, wie sie Wein eis treffliches Buch .,üie Wirkungen
des Geistes und der Geistei im nachapostolisehen Zeitalter bis auf Irenaus
' (Freiburg 1899), die Quellenangaben als zuverlässig ansehend, geschildert
hat, scheinen hier wiedergekehrt zu sein.
Wie soll sich die Wissenschaft zu diesen Dingen stellend Ein Teil der Theologie
, auch der historischen Forschung, nicht bloß die kirchlich gebundene
Dogmatik bejaht sie. Alle übrige Forschung pflegt sie zu verneinen.
Der Philosoph, der sich gewöhnt hat,, nach allen Seiten gleich skeptisch zu
sein, und sich auch der Aufklärung gegenüber die innere Selbständigkeit nicht
nehmen läßt, wo sie nicht zu beweisen, sondern nur den Glauben umzukehren
imstande war, ist in höchster Verlegenheit. Es scheint manchmal ebenso schwer
zu sein, Zeugnisse zu verwerfen als sie anzunehmen.
Für die Tatsachen der Yogapraxis habe ich 1920 in meinem Buch über den
„Okkultismus im modernen Weltbild" die Forderung aufgestellt, europäisch-
wissenschaftlich gebildete indische Aerzte möchten ihr Studium an Ort und
Stelle in die Hand nehmen. Diese Anregung ist auf fruchtbaren Boden gefallen
und nunmehr in Verwirklichung begriffen. Aber die gewöhnliche Yogapraxis ist
erst ein Außenfort der religionswibsenschaftlich-parapsychologischen Problematik.
Wann aber, wird der Leser fragen, kommt die Möglichkeit, in die Festung
selbst einzudringen?
Nun, diese Möglichkeit ist jetzt ebenfalls in gewissen Grenzen gegeben.
Denn seit 1920 ist die Gestalt eines lebenden Inders in den europäischen
Gesichtskreis eingetreten, der in höchstem Maße in dem Geruch der Heiligkeit
steht. Der Religionshistoriker JI e i 1 e r hat uns in Deutschland in seinem bekannten
Buch, „Sadhu Sundar Singh. Ein Apostel des Ostens und Westens*'
(München 1924), dessen erste Vuflage ich s. Z. hier (Psych. Studien 1925) (angezeigt
habe, mit diesem Homo religiosus näher bekannt gemacht, der an keine der
christlichen Kirchen sich bindend, das Christentum predigend, Indien wandernd
durchzieht. Hier nun liegt in gewissen Grenzen die Möglichkeit vor, an einem
Millebenden die Frage auf religiösem Boden entstehender „Wunder" nachzuprüfen
, durch Vernehmung von Augenzeugen, frei \on der Beschränkung auf
historische Zeugnisse der Vergangenheit, denn es werden von dem Sadhu viele
solche Dinge in den englischen Quellen berichtet.
Heiler hat bereits in der ersten Auflage seines Buches auC diese angeblichen
supranormalen Phänomene hingewiesen, deren Realität von dem Sadhu selbst
zugestanden wird, obwohl er nicht gern davon redet und jedtv> Propagieren
vermeidet. Heiler hat dann noch ein weiteres Buch nachfolgen lassen, das sich
speziell mit diesen Dingen beschäftigt: ,,Apostel oder Betrüger? Dokumente
zum Sadhustreit", München 1925 (ebenfalls von mir näher angezeigt).
Nachdem er ursprünglich eine etwas zögernde und schwankende Stellung
einnahm, erklärt er jetzt, mehr als je überzeugt zu sein, daß hier Dinge vorliegen
und nach seiner Meinung wissenschaftlich nachweisbar seien, die die Theologie
als „Wunder" zu bezeichnen pflegt und die für die Wissenschaft meines Erachtens
als Paraphänomene anzusehen wären. Er schrieb mir sogar, die Problemlage
sei durch seine Nachforschungen eine solche geworden, daß es leicht sein
würde, darüber mit objektiven Gelehrten einig zu werden.
Die Dinge, die da berichtet werden, sind von der erstaunlichsten Art und
erinnern unmittelbar an gewisse Angaben der Apostelgeschichte. Wenn dort der
Apostel durch einen „Engel" aus dem Gefängnis befreit wurde, so will der Sadhu
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