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in ähnlicher Weise aus einem verschlossenen Brunnengefängnis, in das er hinabgeworfen
war, befreit worden sein durch eine geheimnisvolle Gestalt, die den
angeschlossenen eisernen Deckel entfernte und ihm durch ein hinabgeworfenes
Seil ins Freie verhalf, >vomit sich dann gleichzeitig noch eine übernormalei
Heilung eines von ihm erlittenen Armbruchs verbunden habe. 41s der Helfer
den Arm berührte, sei er momentan geheilt worden. Dann sei der rätselhafte
Mann plötzlich verschwunden gewesen, den er (der Sadhu) nicht für einen wirklichen
Menschen ansehen könne, sondern für Jesus selbst halte. Neben diesem
krassesten Bericht, dem auch der, welcher die Tatsache der Materialisationen
durchaus anerkennt, aus wissenschaftlichem Instinkt heraus mit größter Zurückhaltung
gegenüberstehen wird, finden sich noch eine Anzahl anderer supranormaler
Phänomene, die weniger Bedenken erregen und die Heiler ebenfalls
durch Vorlegung von Zeugnissen als echt erweisen zu können glaubt.
Ganz anderer Meinung als Heiler ist der bekannte Psychoanalytiker Pfarrer
Dr. 0. Pfister — er hatte bereits Rufe an Universitäten —, der ebenfalls
ausgedehnte Nachforschungen in Indien angestellt hat. In seinem gleichzeitig
im Referatenteil dieses Heftes angezeigten großen Werk „Die Legende Sundar
Singhs. Eine nuf Enthüllungen protestantischer Augenzeugen in Indien gegründete
religionspsychologi«che Untersuchung" (Bern 1926) \ ersucht er zu beweisen,
daß alles Legende, ja teilweise Betrug des Sadhu sei.
Bei der ungeheuren Wichtigkeit dieser Angelegenheit muß alles geschehen,
um festzustellen, wo die Wahrheit gelegen) ist.
Wir stehen hier vor dem metaphysisch und religionsgeschichtlich gleich
wichtigen Problem, ob ein Zusammenhang zwischen sittlich-religiöser Höhe einer
Person und parapsychischen Fähigkeiten besteht. Würde er an diesem lebenden
Einzelfall nachgewiesen werden können, so würde das zu sehr bedeutsamen
Konsequenzen in der religionsgeschichtlichen Quellenbeurteilung führen.
Ich habe mich deshalb gefreut, daß es möglich geworden ist, einen Teil der
Diskussion zwischen diesen beiden kompetentesten deutschen Beurteilern, bei der
es sich auch um die Feststellung der Glaubwürdigkeit, d. h. der ethischen und
intellektuellen Intaktheit des Sadhu dreht, in unsere Zeitschrift hineinzuziehen.
Es handelt sich an erster Stelle um eirife eingehende Antwort Heilers auf das
Werk Pf isters und an zweiter Stelle um die Gegenantwort Pf isters darauf.
Leider ist es, wie es verständlicher weise so leicht geschieht, in dem KampC
um die Wahrheit zwischen beiden Forschern, zu einer persönlichen Spannung
(gekommen, deren Wiederausgleich im Interesse des Fortganges einer von persönlichen
Momenten unbelasteten sachlichen Diskussion äußerst zu wünschen wäre.
Man wird aus den Darlegungen beider ersehen, wie schwer es ist, selbst in
diesem der unmittelbaren Gegenwart angehörenden Fall zu einem einigermaßen
sicheren Urteil zu gelangen. Trotz des ungeheuren Dokumentenmaterials.
Die Wahrheit über Sundar Singhs Leben.
Von Univ.-Prof. Friedrich Heiler in Marburg a. L.
„Der Sadhu ist eine große Persönlichkeit, und er wird immer einen großen
Einfluß auf die geistige Erhebung der Menschheit ausüben. Ich kann nicht einsehen
, wie irgend jemand ihn oder sein Leben mißverstehen kann." So urteilt
ein heidnischer Inder, ein brahmanischer Distrikts-Munsif aus der Präsidentschaft
Madras. Ramanathan lyyer, der sich getrieben fühlte, mir sein Zeugnis zur Ver-
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