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Zeitschrift für Parapsychologie. 3. Heft. (März 1927.)

teidigung des Sadhu zukommen zu lassen. Und ein Hindu in Subathu (dem jetzigen
Wohnsitz Sundar Singhs), der ebenfalls vom Streit der Christen über den
Sadhu gehört hatte, erklärte: „Ist das christlicher Geist? Es scheint, daß es \iele
Heiden und Ungläubige in Europa gibt."

Das ist der Eindruck, den der \on europäischen Christen angezettelte Sadhu-
streit auf naive heidnische Gemüter in Indien erweckt. Dort wirkende christliche
Missionare haben mir in betrübten Worten über den unabsehbaren Schaden geschrieben
, welchen der Sadhustreit auf die christliche Mission in Indien ausüben
wird. Die Gegner Sundar Singhs freilich werden nicht müde zu beteuern, daß
es ihnen um nichts anderes gehe als um das hehre Ziel der geschichtlichen Wahrheit
. Diese Beteuerung empfängt jedoch einen Stoß durch ihre eigenen Geständnisse
. Auf der einen Seite haben die römisch-katholischen Gegner des Sadhu
immer wieder \ erraten, daß dieser schlichte indische Fromme mit seinem
heroisch-apostolischen Wandel eine Bedrohung des römischen Absolutheits-
anspruches darstelle. ,,Wir müssen verhindern, daß der Sadhu nach seinem
Tode heilig gesprochen wird," lautet die kategorische Erklärung, die der belgische
Jesuit Hosten, der Urheber des Sadhustreites, zwei protestantischen Missionaren
abgab. Auf der anderen Seite haben die protestantischen Gegner Sundar
Singhs kein Hehl daraus gemacht, daß die „Wunder" des Sadhu ihre Weltanschauung
und Bibelkritik in peinliche Verlegenheit bringen. „Wären die Wunder
nicht gewesen, so hätte ich nie eine Zeile gegen den Sadhu geschrieben,"
gestand mir einer von ihnen. Die historische Kritik ist darum für beide, Jesuiten
wie Protestanten, nur Waffe im weltanschaulichen und konfessionellen Kampfe,
aber nicht Werkzeug im Dienste uninteressierter geschichtlicher Forschung. Bei
einer solchen aprioristischen Einstellung können jedoch niemals die geschichtlichen
Tatsachen aufgeklärt werden. Die historische Forschung ist unter diesen
Umständen nichts anderes als ein gieriges Umherspähen nach Argumenten, die
geeignet sind, die das eigene Dogma bedrohende Persönlichkeit in ungünstiges
Jacht zu rücken. Die geschichtlichen Tatsachen werden vergewaltigt, Informationen
aus trüben Quellen eingeholt1), dagegen die erste Quelle gemieden2), unbequeme
Zeugnisse zurückgehalten, wichtige Dokumente verstümmelt wiedergegeben
. (Den konkreten Nachweis füjr diese und ähnliche Fehler der Sadhu-
gegner werde ich in einem neuen Doknmentenbuch erbringen.) Diese Methode
machte es möglich, das ganze Leben des Sadhu als eine Kette plumper Schwindeleien
(Hosten) oder, wie ein anderer Jesuit milder sich ausdrückte, als „Legende
großen Stils" zu erweisen.

Die wirklichen Dokumente und Zeugenaussagen ergeben ein \öllig anderes
Bild. Zwar sind eine Reihe von Einzelheiten noch nicht aufgeklärt, in manchen
Punkten liegen widersprechende Zeugenaussagen vor, manche Dinge werden vielleicht
nie eine Aufhellung erfahren. Aber die Ilauptlinien des Lebens Sundar

*) Der anglikanische Pfarrer Williams von Subathu schreibt in einem mir vorliegenden
Brief an den Sadhu vom 5. Juni vorigen Jahres: „Ich hörte von einem
römisch-katholischen Freunde einige verleumderische Gerüchte über Sie, die ich als
ganz unwahr erkannte, und es war mir ein Leichtes, sie auf ihre Quelle zurückzuführen
; ich fand, daß sie von einem ganz skrupellosen Manne ausgestreut worden
waren, der das Vertrauen der ganzen Gemeinde durch seine UnWahrhaftigkeit verloren
hatte und der, wie mir mitgeteilt wurde, eine der Hauptquellen der Information
für den Jesuitenpater in Darjeeling (d. i. Hosten) war."

2) Hosten hat sich ausdrücklich geweigert, an einer Unterredung mit dem Sadhu,
die zu vermitteln ich mich erboten hatte, teilzunehmen.


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