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Zeitschrift für Parapsychologie. 3. Heft. (März 1927.)
über seine spiritistischen Erfahrungen in Amerika. Der Vortrag bot viel Wissenswertes
und Anregendes, nicht zuletzt, weil sich eine lebhafte Diskussion über
Animismus und Spiritismus daran anknüpfte.
F. v. R., bis vor etwa Jahresfrist ausgesprochener Skeptiker, wurde auf
Grund seiner amerikanischen Erlebnisse und Erfahrungen überzeugter
Spiritist. Dieser Sprung gerade \om extremen Skeptizismus zum Spiritisten
ist nicht überraschend. Hat man Geistererscheinungen zuvor als aller
Naturgesetzlichkeit widersprechend in das Reich absurder Phantastereien \erwiesen
und sieht sich plötzlich, ohne vermittelnde Zwischenerfahrungen, vor die
Notwendigkeit gestellt, sie als Realität anzuerkennen, so ist ein Ausschlag des
Pendels in das entgegengesetzte Extrem fast mit Sicherheit zu erwarten, d. h.
es wird jede andere Möglichkeit als die einer rein transzendentalen Erklärung
abgelehnt.
Aber eine Verständigung unter den Anhängern der einen und denen der
anderen Richtung wird notwendig erfolgen müssen, wenn man zu wissenschaftlichen
Ergebnissen kommen will. Im Rahmen eines Vortrages über experimentell
-spiritistische Forschungen kann allerdings eine Entscheidung über
theoretische und weltanschauliche Fragen schwerlich herbeigeführt werden.
Es geht zu weit, den animistischen Standpunkt schlechthin mit dem Negativismus
Molls auf eine Stufe zu stellen, oder der animis iischen Auffassung
Schuld zu geben an der Rückständigkeit der Forschung. Als berechtigt anzuerkennen
ist indessen der Einwand, daß die Medien durchweg spiritistisch
empfinden, und daß daher keine Geister erscheinen, wenn man ihnen ihre
selbständige Wesenheit abspricht. Zwar ist auch schon \on Geistern berichtet
worden, die sich auf die Frage nach ihrem Aufenthaltsort ebenso drastisch wie
klar für das Diesseits entschieden, aber es ist zuzugeben, daß die Vorstellung
, es handele sich um jenseitige, von uns unabhängige intelligente Verursacher
, für das Zustandekommen der Phänomene nicht ohne Bedeutung ist.
Eine Hypothese braucht aber noch nicht wissenschaftlich haltbar zu sein,
wenn sie für praktische Zwecke richtig und zweckmäßig ist. In der Physik ist
die Theorie der magnetischen und elektrischen Fluida widerlegt. Trotzdem
findet sie sich noch heute in den Lehrbüchern, weil sie ein einfaches M o d e 11
der magnetischen und elektrischen Erscheinungen bietet. Warum trennen wir
nicht Theorie und Praxis? Warum haben Praktiker den Ehrgeiz, von ihrem
begrenzten Erfahrungsgebiet aus die Welträtsel lösen zu wollen? Erfahrung ist
wichtig, und Erkenntnis ist wichtig. Sie brauchen einander nicht zu stören,
müssen aber eins \om andern Anregungen und Bestätigungen erfahren.
Was solche Anregungen betrifft, also den heuristischen Wert, so t
ist eine animistische Hypothese der spiritistischen fraglos überlegen. Denn
nehme ich an, das, was sich mir kundfgibt, sei eine jenseitige Intelligenz, so
bleibt mir nichts anderes übrig, als untätig abzuwarten und kritiklos hinzunehmen
, was die Intelligenz mir an weiteren Aufklärungen zuzuwenden für gut
befindet. Bei animis tischer Auffassung dagegen, mag der ihr zugrunde liegende
wissenschaftliche Standpunkt sein, welcher er will, ergeben sich fast immer Möglichkeiten
, die Verstiche willkürlich zu beeinflussen und die Phänomene zu beherrschen
.
Jedem Spiritisten aber sollte ohne weiteres einleuchten, daß für die große
Mehrzahl der Menschen immer das Wort gelten wird: „Soll ich glauben, die
Natur sei bloß ein fadenscheiniger Vorhang, hinter dem ein Geisterreich laure,
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