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Zeitschrift für Parapsychologie. 3. Heft. (März 1927.)

Es gehört natürlich nicht eben sehr viel Scharfblick dazu, um zu erkennen,
daß nach den Erfahrungen, die in bezug auf einen Home vorliegen, auch an manchen
religiösen sogenannten „Wunder"geschichten ein Erhebliches „dran" sein wird,
wenn auch die Bedingungen für sichere Feststellung und Nachprüfung hier natürlich
besonders ungünstige sind.

Wie schwierig die Dinge im Fall des Sadhu liegen, zeigt ein soeben erschienenes
neues großes Werk des Züricher Psychoanalytikers O. P f i s t e r , das sich gegen
Heiler richtet und hier ebenfalls von mir angezeigt wird. Oesterreich.

Oskar Pf Ister, Die Legende Sundar Singhs. Eine auf Enthüllungen protestantischer
Augenzeugen in Indien gegründete religionspsychologische Untersuchung
. Bern und Leipzig, Verlag Paul Haupt. 1926. 327 S.
Das vorliegende Werk ist die soeben von mir avisierte Gegenschrift
gegen Heilers Arbeiten über den Sadhu. Pfister sucht nachzuweisen, daß es sich
bei den „Wundergeschichten", die, wenn sie echt sind, als parapsychophysische
Phänomene anzusehen sein würden, um „Legende" handelt, ja, er ist in zunehmendem
Maße zu der Ueberzeugung gekommen, daß der Sadhu nicht nur zwischen
Wahrheit und Phantasie nicht den strengen Unterschied wie ein Europäer mache
(was manche seiner eignen Anhänger zugeben), sondern daß er sogar bewußte
Unwahrheiten verbreite. In dem vorliegenden Werk kommt diese Auffassung allerdings
noch nicht mit voller Schärfe zum Ausdruck.

Pfister hat sehr vielseitige Erkundigungen in Indien eingezogen. Vor allem
stand ihm aber zur Verfügung die über 1600 Schreibmaschinenseiten umfassende
Materialsammlung eines katholischen Indienmissionars Hosten, der sein (nicht
gedrucktes) Material in fünf Kopien mehreren Forschern zur Verfügung stellte.
Auch Heilers neue Materialien waren Pfister verfügbar auf Grund einer zwischen
beiden getroffenen Vereinbarung gegenseitiger Orientierung durch Mitteilung neu
einlaufender Dokumente.

Pfister hat alles Material mit größter Sorgfalt durchgearbeitet. Seine erstaunliche
Arbeitskraft offenbart sich aufs neue. In dem Buch steckt eine riesige Detail-
arbeit.

Das Ergebnis ist, daß die Wunder in einer größeren Zahl der wichtigsten Fälle
sich als unhistorisch nachweisen ließen auf Grund der Widersprüche und realer
Unmöglichkeiten in den Angaben des Sadhu. Ja es wird sogar als höchstwahrscheinlich
angesehen, daß derselbe nicht stets nur Phantasien entwickelte, sondern gelegentlich
mit deutlicher Ueberlegung die Mitwelt täuschte, indem er selbst falsche
Telegramme übei seinen angeblichen Tod absandte, wofern man hier nicht an
Handlungen im Trancezustand denken wolle. Pfisters Darlegungen machen zweifellos
erheblichen Eindruck. Das wirklich Nachgewiesene erscheint beim Lesen
von solchem Gewicht, daß demgegenüber weniger überzeugende Einzelmomente
während der Lektüre in den Hintergrund treten.

Es wTürde allerd ngs eine herbe Enttäuschung sein, wenn der Sadhu, der wie ein
moderner Christus wirkt, zugleich ein Psychopath ist, falls er nicht gar gelegentlich
eine grandiose Irreführung beging. —

Immerhin muß selbstverständlich das Audiatur et altera pars auch hier Platz
greifen. Ein nicht unbedenklicher Punkt in dem Material Pfisters ist die Affektge-
Tadenheit, mit der der katholische Hauptmaterialsammler gegen den Sadhu, der
Pater Heinrich Hosten demselben gegenübersteht. Derselbe hat, wie oben bemerkt
eine enorme Dokumentenmenge zusammengebracht. Aber Pfister selbst sagt
von ihm trotz alles Lobes: „Was ich nicht billige, ist der allzu affektbeladene
polemische Ton" (S. 235).

Wer selbst im Kampf um die Parapsychologie steht, kann sich hier der Befürchtung
nicht verschließen, daß der bei den Sadhuanhängern vielleicht oft vorhandenen
Leichtgläubigkeit nicht weniger selten ein nicht weniger leichtgläubiger
Skeptizismus gegenübersteht. Die Wahrheit kann aber nur bei voller unbefangener
Objektivität gefunden werden, sofern das nicht überhaupt durch den Charakter,
den Bildungsgrad und die unsachliche Parteigebundenheit pro oder contra der Zeugen
und Gegenzeugen ausgeschlossen wird. Versucht muß es aber werden, zu
einem Urteil zu gelangen, dazu ist die Frage metaphysisch und religionsgeschicht-

Das Buch Pfisters hat seine Bedeutung übrigens nicht nur durch seine umfassende
Quellenprüfung. Im letzten Teile desselben gibt er noch den Versuch
einer psychoanalytischen Zergliederung des Sadhu, die sehr interessant ist.

Oesterreich.


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