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irgendeiner ihrer Angaben gebeten, und man hatte bis jetzt keinen Anlaß, an
der Wahrhaftigkeil dieser Angaben zu zweifeln.
Bei Frau Leonard sind ^ier Zustände zu unterscheiden; zuerst ihr normales
Bewußtsein, dann eine leichte Schläfrigkeit bzw. Träumerei, in der sie automatisch
schreibt, drittens ein mit teiJweiser Analgesie verbundener Trance-
/ustand, für den beim Erwachen fast völlige Erinnerungslosigkeit besteht, in
diesem Trance scheint sie eine von ihrem Wach-Ich ganz \erschiedene Persönlichkeit
namens Feda zu sein; in einem vierten Zustand, der auch Trancecharakter
hat, reproduziert Frau L. mit mehr oder weniger Erfolg die Stimme
und die Eigentümlichkeiten ihr unbekannter Verstorbener beiderlei Geschlechts
(P. 32, 349). Zuweilen gibt Frau Leonard sogenannte Tischsitzungen, in denen
die Antworten auf die Fragen der Besucher durch Tischkippungen erfolgen;
die Teilnehmer haben alle die Hände auf dem Tisch; Frau L. ist dabei nicht
in Trance (siehe z. B. Lodges Raymond und J. 20, i3o).
Seltsamerweise erwähnen die S. P. R.-Berichte das nach Bradlc1) und anderen
bei Frau L. \orkommende Phänomen der direkten Stimme nicht; nur Drayton
Thomas weist einmal kurz darauf hin (J. 23, 62). Dieses Versäumnis der S. P. R.
ist unverständlich, da offenbar neben dem Inhalt der Leonardbotschaften ihre
gelegentliche, wenn auch sehr seltene Entstehung durch direkte Stimme höchst
wichtig und des Studiums wert wäre. Doch finden wir dieses anscheinende
Widerstreben der S. P. R., der physikalischen Komponente solcher Phänomene
nachzugehen, öfter: z. B. in dem Bericht Soals über seine Sitzungen mit dem
Medium Cooper (vgl. Z. f. P. 1926, S. 2o5).
Der Kontrollgeist Feda. der meist die Botschaften der Geister vermittelt,
ist angeblich ein verstorbenes Hindumädchen; Feda behauptet gewöhnlich,
die Worte der Geister zu hören, wodurch sich die häufigen anscheinenden Hörfehler
in den Mitteilungen Fedas erklären: zuweilen erfühlt Feda die Gedanken
des Geistes und oft soll er Feda Bilder zeigen, die sie dann für den Besucher
schildert (J. 23, 62). Fedas „Sehen" dey Bilder scheint besonderer Art zu sein,
denn während desselben sind des Mediums Augen stets geschlossen (P. 32, 3691,
so daß es fraglich ist, ob es sich bei dem Gesehenen um beginnende Materialisationen
handeln kami, die für die Besucher etwa noch unsichtbar wären. Es
sind vermutlich halluzinatorische Traumbilder, die aber von Feda oft gesehen
werden, ohne daß sie ihre Bedeutung recht erfaßte. So schildert sie einmal
sehr gut ein ihr „gezeigtes" Porträt, aber ohne zu bemerken, daß sie damit
ein Bild der ihr wohl bekannten Miß Radclyffe-Hall beschreibt (P. 32, 371) A).
Rev. Irving ist überzeugt, daß oft ein wirkliches Sehen stattfindet, denn
häufig spricht Feda von Dingen so, wie man sie bei oberflächlicher Betrachtung,
ohne tiefere Kenntnisnahme, sehen würde (J. 21,84); Feda „hört" und „sieht"
nicht nur, zuweilen „riecht" sie auch etwas. Fedas „Hören* der Geisterbot-
sebaften ist wenig zuverlässig, während sie für ganz unauffällige, wirkliche
Geräusche in der Umgebung sehr feinhörig ist. Oft behauptet sie, ein Geist
sage ihr einen gewissen Namen, mit geneigtem Kopf lehnt sie in ihrem Stuhl
vorwärts, als lauschte sie aufmerksam auf einen undeutlich gehörten Laut: sie
flüstert dann entsprechende Laute vor sich hin, um in einiger Zeit mit einem
Finger nacheinander Buchstaben aufzuzeichnen, die der Geist ihr „vorschreibt**
oder für sie „aufbaut". Hat sie so ein Wort richtig geschrieben, dann macht
*) Vgl. denselben Fall in Kralls Arbeit über Ninoff. (Z. f. P. Dez. 1926, S. 712.)
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