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Pf ister: Die Wahrheit über Sundar Singhs Leben. 225
zu machen, wird er sich diese Quelle gewiß mit großem Vergnügen zunutze
machen. Er hielt sich ja für verpflichtet, seine „wissenschaftliche" Kompilation
nachträglich kritisch nachzuprüfen, also wird er die sich jetzt darbietende Gelegenheit
mit Wonne benutzen, um entweder den von ihm entwerteten Zahir
glänzend zu rehabilitieren, wobei allerdings Sundars Glaubhaftigkeit noch mehr
Stöße erhält, oder dann den Sadhu zu rechtfertigen. Ein deutscher lleligions-
historiker würde sich doch einem merkwürdigen Verdacht aussetzen, wenn er
auf indirekt vernommenes vages Gerede unbekannter Kaufleute achtete, aber die
ihm zugängliche authentische Quelle verschmähte! Mich wundert sehr, daß
Heiler nun über ein Jahr lang auf die wichtigste aller biographischen Quellen
verzichtete; von Tharchins Bereitwilligkeit, eine englische Uebersetzung herstellen
zu lassen, benachrichtigte ich ihn schon im September 1925. Auch Dr. Wberr\
könnte ihm wohl Sundars autobiographische Schrift verschaffen. Bis dahin muß
ich Zahirs sehr märchenhaft klingende Darstellung in der von Sundar hancl-
^dhriftlich korrigierten Biographie des Sadhu und! in der gleichfalls von letzterem
gebilligten Broschüre „Sa\ed to serve" als Wiedergabe der Mitteilungen
Sundars ansehen, so daß also dieser angab, der Mann sei 1624 von Jerome Xavier
getauft worden (der in Wirklichkeit schon 1C17 starb), besitze ein in den Tagen
Konstantins geschriebenes ^cues Testament usw. Uebrigens stimmt Sundars
Schilderung der „wundervollen Bäume" am 46oom hoch gelegenen Manasarovar-
see (Saved p. 3), in dessen JNähe die Höhle des alten Heiligen liegen soll, ganz
und gar nicht mit den zahlreichen Photographien Sven Hedins im 2. Bande seines
Transhimalaya, auf denen das Ufer gänzlich kahl ist.
Weitgehende Klarheit über die Tibetreisen besteht allerdings, jedoch in einer
für die Biographien Sundars und Heilers höchst unerwünschten Richtung. Diejenige
von 1908 hat, wenn man Tibet in dem von den Biographen und Sundar
behaupteten Sinne (Leg. 190) \ ersteht, gar nicht stattgefunden, diejenige von
1912 über Poo gipfelt in einem Aufenthalt von höchstens zwei Tagen an Stelle
der behaupteten zweimonatlichen Reise mit Sundar und mehrmonatlichen
ohne ihn1). v
Im Mittelpunkt des Interesses steht heule die Tibetreise Sundars von 1923.
Canon Sandys in Kalkutta schrieb mir, er habe am 23. Mai 1923 den auf der
Reise nach Kotgarh befindlichen Sadhu angetroffen, der am 27. Juni Herrn
Sloan schrieb, er befinde sich auf der Reise nach Tibet, und am 5. Juli
an Herrn Coldstream: ,.Ich bin soeben aus Tihet zurückgekehrt'*
(Leg. 200). Letzterer Adressat sandte Heiler seinen Briefwechsel mit Sandys
und Sundar (Heiler an mich 7. Juni 1920), aber mit der Verfügung, nichts bekanntgeben
zu dürfen! Damit war eigentlich schon bewiesen, daß der ergebene
x) Heiler warf mir in seinem unerwarteten, überaus heftigen Angriff in der
drittgrößten deutschen katholischen Tageszeitung (Augsburger Postzeitung) vom
29. 4. 26 vor, ich habe die Dauer des Aufenthaltes in Tibet unrichtig angegeben.
Dabei hatte ich aber die Aussagen der Augenzeugen Marx und Ali wörtlich zitiert
und gutgeheißen. Heiler dagegen entstellte diese Aussagen, indem er aus einer
6—7 Tage dauernden Reise nach Tibet eine ebensolange Reise i n dem verbotenen
Lande machte, obwohl der viel größere Teil der Zeit auf indischem Boden zugebracht
wurde. Daneben klagte er mich an, entscheidende Stücke aus meinen Dokumenten
weggehackt zu haben, worüber das Nötige von mir oben gesagt wjirde.
Und auf Grund dieser beiden unberechtigten Anklagen wirft er mir vor, „mit
befremdender Oberflächlichkeit" gearbeitet zu haben. Auf meine Verteidigung
(23. 5. 26) schrieb Heiler einen von neuen unbegründeten Anklagen strotzenden
Aufsatz; meine Verteidigung wurde vom genannten kathol. Blatte nicht abgedruckt.
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