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Schneider: „Okkultismus und Seelsorge" von Georg Bichlmair
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Schlafe der Trance liegenden Körpers, der dann schwer und polternd zurückfällt
, hat mit dem edlen Bilde eines schwebenden Engels oder Heiligen nicht
das geringste gemein." Aber ist das nicht direkte Fälschung des Talbestandes!
Zunächst kann man einen Engel doch nicht mit einem Medium vergleichen,
sondern nur mit einem Spirit, und von deren Keuchen und Stöhnen beim
Emporfliegen ist nichts bekannt. Und wenn auch unsere Medien keuchen und
slöhnen, so doch nicht die Fakire und Yogin, die aus tiefster Versenkung
heraus ihre Wunder wirken. Es gibt Anfängerschaft und unvollkommene Beherrschung
der Phänomene hier wie dort, wie auf allen Gebieten. Was erzählt
man clenn vom hl. Benedikt, vom hl.Franziskus und anderen Heiligen über
die Art, wie sie zu ihren Wundern kamen! Kasteiung, Geißelung, alle nur erdenkbare
Leibesmarter waren ihr Training, das wohl keinen ästhetischen Eindruck
geboten haben dürfte. Der „Himmelsvogel'' mußte sich schmerzlich die
irdischen Federn ausrupfen, damit er das geistige Fliegen lernte. Von den
Läusen des hl. Franziskus will ich gar nicht reden, aber die Phrase, daß der
Heilige „entzückt und entrückt, mit leuchtendem Antlitz und von hellem Lichte
feierlich umstrahlt, in edler Schönheit emporschwebt'ist eine Flunkerei, die
niedriger gehängt zu werden verdient. In Wahrheit kann von einer wesentlichen
Differenz des Heiligen- und Medienwunders gar nicht die Rede sein; selbst in
dieser Hinsicht, der einzigen, die Bichlmair als positiven Einwand gegen den
Okkultismus buchen könnte, versagt seine Beweisführung vollkommen.
Das Buch Bichlmairs ist ein Schlag ins Wasser. Es wird keinen einzigen
Okkultisten zur Kirche zurückführen, denn es vermag ihn von der Ueberlegen-
heit des Theismus über den Pantheismus nicht im geringsten zu überzeugen.
Der Okkultist wendet sich von der Kirche ab, weil ihm der Theismus die Weltgöttlichkeit
raubt, nach der er doch mit vollster Kraft der Seele verlangt. Wir
sind von der Welt und sind für die Welt: das verspürt er im Tiefsten nicht nur
seines Gemüts, sondern auch des Verstandes; er verlangt nach einem Lebenszweck
, den ihm die Kirche nimmt. Der Theismus konnte nur deshalb über den
Pantheismus siegen, weil dieser den Lebenszweck auch nur verstümmelt zu erfassen
vermochte. Und hier sind nun unbedingt noch ein paar Worte über den
Hauptmangel des Okkultismus zu sagen, schon damit man nicht glaube, ich sei
ein Feind der Kirche. Ich bin so wenig ein Feind des Theismus wie des Pantheismus
, auch nicht des Naturalismus (Physik) und des Idealismus (Psychologie
). Ich halbe alle vier Standpunkte für berechtigt, weil sie gegebenen Weltfaktoren
Rechnung tragen. Der Theismus trägt einem absoluten Bewußtsein
Rechnung, ohne dessen Existenz wir das Gegebensein irgendwelchen Bewußtseins
überhaupt nicht zu verstehen vermöchten. Der Naturalismus trägt der
Energie Rechnung, die das eigentliche Charakteristikum der Natur, eines Tätigen
im Räume, ausmacht. Der Idealismus trägt dem geistigen Formprinzip
Rechnung, das auch dem Naturgeschehen bestimmte Bahnen anweist. Der
Pantheismus endlich trägt dem Leben Rechnung, das in der Welt eine
Entwicklung bewirkt. Hier nun aber setzt die Kritik ein, denn hier liegt die
große Dunkelheit, das eigentliche Problem des Okkultismus. Behauptet wird
vom Pantheismus, daß die Welt bereits göttlich sei und die Entwicklung nur besiehe
in der Entfaltung eines Subjekts zum Objekt. Wäre aber die Welt göttlich
, so wäre sie Gott im oben definierten Sinne, d. h. sie existierte nicht als
Natur und Geist. Daß sie als beides existiert, kann nimmermehr das Werk eines
Gottes sein, denn Bewußtsein kann nicht Energie zeugen, weil beide Substanzen
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