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Zeitschrift für Parapsychologie. 4. Heft. (April 1927.)
baues, die schon vorher in einer geistigen Welt vorhanden gewesen sein müsse.
Wenn schon die menschliche Seele als biologischer Psychismus begonnen habe, so
sei sie an irgendeinem Entwicklungspunkt durch Intuition mit einer andern Geisteswelt
verbunden worden, welche dieselben grundlegenden Denkgesetze aufweise \\ ie
unsere. Seien aber die logischen Denkgrundgesetze nicht erdgeboren, hingen also
die Denkfähigkeit, Ordnung der Sinneseindrücke nicht ausschließlich von körperlicher
Entwicklung ab, so verschwinde die große Schwierigkeit der Annahme, daß
nach dem physischen Tode die wirkende Seelenkraft ein intelligentes Leben führen
könne, sei es durch eine neue Verbindung mit dem Stoff, sei es durch irgendwelche
übersinnliche Wahrnehmungsform.
Unter Verweis auf einige klassische neueste Versuche verweist Soai ferner
darauf, daß Hellsehen und Vorschau jedenfalls innig mit der Relativität der Zeit
zusammenhängen. Dies bringe nun freilich unleugbar neue Schwierigkeiten für
die Gültigkeit der spiritistischen Identitätsbeweise, wie sie von Medien geboten
werden. Denn gebe es einen Bewußtseinszustand, der in die Zukunft dringen könne,
dann ist es auch wohl möglich, durch Rückwärtsbewegung des Bewußtseinszustandes
Vorfälle im abgelaufenen Leben von Menschen ans Licht zu bringen, auch wenn
diese nicht mehr leben. Zutritt des Mediums zum Gedächtnis des Verstorbenen oder
eine Bewegung eines Bewußtseinszustandes in die Vergangenheit im Sinne der Relativität
der Zeit seien die einfachste Erklärung. An Stelle der Telepathie, der hauptsächlichen
Rivalin der spiritistischen Hypothese, trete nunmehr ein anscheinend grenzenloses
Hellsehen. Zum Unterschied vom klassischen Spiritismus müsse die Seele
nicht so sehr als ein Selbst, eine Ich-Persönlichkeit, sondern als der Schöpfer solcher
Persönlichkeiten angesehen werden. Wenn die Tatsächlichkeit der Relativitäts-Vorschau
als logische Folge den Determinismus ergebe, so brauche das Weltall nar zum
Teil ein mechanischer, könne aber zum großen Teil ein im Sinne menschlicher Entwicklung
zweckhafter Determinismus sein. Dr. Osty sei auf Grund seiner Hellsehversuche
zu der Annahme gekommen, die menschlichen Wesen seien Individualisa-
tionen einer unermeßlichen Psyche, die ihre Gedanken und ihren Willen in der Unendlichkeit
von Raum und Zeit auf alle mögliche Weise verwirkliche. Es seien also
Osty (mit dem „Transzendentalen'*) und Myers (mit dem „größeren Selbst"), die
sich auf streng methodische experimenteile Forschung beschränkt hätten, zur uralten
Hypothese eines göttlichen sich in verschiedenen Intelligenzabstufungen ausdrückenden
und in vielen Bewußtseinsarten verwirklichenden göttlichen Willens geführt
worden. Das ist eine deutliche Wiederaufnahme tiefster seltsam übereinstimmender
Jnnenschau-Erkenntnisse der größten Religionslehrer, Mystiker, Philosophen
und Dichter seit der Urzeit bis auf unsere Tage. Ob der Parapsychologie wirklich
die krönende Bestätigung dieser Anschauungen vorbehalten ist?
„Was ist Telepathie" von Mrs. McKenzie ist selbst ein Auszug aus Zeitschriften
über diese Frage. Interessant ist wohl, daß der Professor der Psychologie
J. E. Coover an der kalifornischen Universität Stanford den Beweis geführt zu
haben glaubt, daß es keine Gedankenübertragung gibt. Denn 10 000 mit Studenten
^er Psychologie durchgeführte Versuche und eine zweite Reihe von 1000 Versuchen
mit ausgebildeten Medien seien erfolglos geblieben!
Einige kleinere Aufsätze und Mitteilungen beschließen dieses ungemein anregende
Heft. Professor Dr. Haslinger.
Journal of the American Society for Psychicai Research. 1926. September. Nr. Q.
GräfinWassilko. Beobachtungen an EleonoraZugun. U eoer
E. Zugun wurde im Zusammenhange berichtet.
R. Sudre. M arger yundderSpiritismus. Sudre zeigt in seiner Auseinandersetzung
mit Dr. Crandon, daß die Phänomene bei dem Medium Margery
durchaus nicht zu einer spiritistischen Ausdeutung zwingen. Telepathie, Hellsehen,
Psychometrie und zeitliches Fernsehen genügen zur Erklärung.
Bird. Die Methodologie der Psychischen Forschung. Fordert
für die Metapsychik eine klare Methodologie, die ihr bis jetzt fehle.
Haines. Prophezeiungen. Berichtet in positivem Sinne über eine Anzahl
Prophezeiungen, besonders historischer Art, wie die von Nostradamus und
Cazotte, darunter auch einige unbekanntere.
Kennen D., Herman. Hellsehen bei einem Medium in fast
normalem Bewußtseinszustand.
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