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Buchbesprechungen.
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namentlich auf Herz, Vasomotoren, Darm und Haut, ist bekannt genug. Die psychogenen
Leistungen Hysterischer (Stigmatisation, Oedeme, eingebildete Schwangerschaft
usw.), sowie das Mimikry bei manchen Tieren, die ganze Suggestionstherapie
, der Coueismus sind schlagende Beweise für das Gegenteil der Luther-
schen Behauptungen, die sich durch die willkürliche und einseitige Fassung des
Begriffs der Vorstellung erklären. Die Teleplastik verlegt lediglich den nicht anzuzweifelnden
Einfluß des Psychischen, des Schöpferischen über die Peripherie des
Körpers hinaus. Trotzdem hält Luther im Widerspruch mit diesen Auslassungen
es für verfrüht, die Teleplastik rundweg für Täuschung und Betrug zu erklären.
Angeblicher Spuk darf nach dem Autor durch die Annahme von Halluzination
sowie auf die Möglichkeit des Mißverstehens von Naturvorgängen, etwa den Begleiterscheinungen
geologischer Prozesse, die sich sichtbar auswirken, zurückgeführt
werden. „Für wirklichen Spuk gibt es bislang kein Begreifen." Der Okkultismus
ist nach Luther, von einzelnen über ihn hinausgehenden Theorien abgesehen,
grober Materialismus. Er ist im wesentlichen Volksglaube, steht aber an Tiefe
hinter der Wissenschaft zurück (!!). ,,Ein schöpferischer Wert im Geistesleben der
Gegenwart kommt ihm nicht zu; ihm gebührt nicht das Verdienst, wenn durch die
heute okkulten Erscheinungen vielleicht wegweisende Erkenntnisse und neue Mittel
für das praktische Wirken der Menschen gefunden werden. Der Okkultismus als
moderne Weltanschauung ist rückständig und unfruchtbar."
Das vorstehende Referat lehrt, zu welchen widersinnigen Schlüssen ein Autor
gelangen kann, wenn er ohne notwendige Sachkenntnis alles durcheinanderwirft
und die Auswüchse des Aberglaubens auf eine Stufe stellt mit den Ergebnissen der
parapsychologischen Forschung, sowie zu alledem noch überall eine Erklärung für
Erscheinungsgebiete, die großenteils für ihn nicht einmal feststehen, und zwar am
liebsten rationalistischer Art verlangt, als ob in der Natur jemals die Lebenserscheinungen
erklärt worden seien *
Einseitigkeit der philosophischen und psychologischen Einstellung, vollständiges
Verkennen der Wichtigkeit einer vitalistischen, auch das parapsychologische
Problem umfassenden Weltanschauung gegenüber den leider immer noch weit verbreiteten
mechanischen und materialistischen Hypothesen erklären die Mißverständnisse
und zahlreichen Unrichtigkeiten dieses besser nicht geschriebenen Buches.
Dr. v. Schrenck-Notzing.
Rudolf Tischner, DerOkkultismus als Natur-und Geisteswissenschaft
. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart 1926. 37 S. 2.40 M.
Dr. Tischners Arbeit ist eine sehr interessante erkenntnistheoretische Betrachtung
der verschiedenen in der Metapsychik anzuwendenden Methoden. Die Wissenschaften
lassen sich einteilen in Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften,
wobei die ersteren rein materielle, die zweiten psychisch bedingte Vorgänge untersuchen
. Dieser Gegensatz fällt zum Teil zusammen mit Windelbands Unterscheidung
der generalisierenden Wissenschaften, die Gesetze aufstellen (Nomothetische
Wissenschaften) und der individualisierenden Wissenschaften, die ein Einzelindividuum
oder Einzelereignis als solches betrachten (Idiographische Wissenschaften);
teilweise decken sich diese zwei Klassen mit dem Unterschied zwischen experimentellen
Wissenschaften und solchen, die sich auf bloße Beobachtung stützen. Selbstverständlich
sind diese Trennungen nicht eindeutig durchzuführen, wie Tischner an
dem Beispiel der Psychologie zeigt, die als Wissenschaft vom Geiste zweifellos
eine Geisteswissenschaft ist und andererseits, soweit sie ausgesprochen experimentelle
Methoden benützt und wie in der Psychophysiologie auch materielle Gebilde
in den Kreis ihrer Betrachtungen zieht, als eine Naturwissenschaft erscheint. Genau
so gehört die Metapsychik zu den Naturwissenschaften, da sie vielfach materielle
Vorgänge betrachtet und wo irgend möglich die experimentelle Methode anzuwenden
sucht; sie ist aber auch eine Geisteswissenschaft, da die von ihr untersuchten
materiellen Vorgänge psychisch bedingt sind, und weil sie wie die Geschichte
oft auf kritischer Sichtung literarischer Quellen beruht. Wegen der Seltenheit der
Medien und der Verschiedenheit ihrer Phänomene können Berichte über metapsychische
Erscheinungen oft nicht experimentell nachgeprüft werden, man ist also darauf
angewiesen, die betreffenden Berichte nach ihrer Glaubwürdigkeit und experimentellen
Sicherheit kritisch zu analysieren. Tischner bemerkte deshalb richtig, daß
in dieser Hinsicht der Historiker oder Jurist ein geeigneterer Kritiker der Metapsychik
ist als der Naturwissenschaftler, der allzusehr dazu neigt, nur anzuerkennen,
was er selbst jederzeit experimentell nachprüfen kann, statt die vorliegenden Be-
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