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Zeitschrift für Parapsychologie. 5. Heft. (Mai 1927.)
genaue Zeiteinteilung vorgeschrieben ist. Aber bald danach ziehl d<*r junge
Mann die Sekretärin ins Vertrauen und erzählt ihr, jede Nacht um i i Uhr seho
er in seinem Zimmer eine nebelartige Gestall einigemal um den Tisch herumgehen
, sich dabei gleichsam mit den Armen am Tische stützend, um dann
wieder so rätselhaft zu verschwinden, wie sie gekommen war. Ein kaller Windhauch
wehe dabei durchs Zimmer. Der Lehrer weiß sich keine Erklärung
und fürchtet, er könnte vielleicht krink sein. Nun bleibt die Sekretärin bei
ihm. Sie wird zur bestimmten Stunde die Erscheinung gewahr und erkenn!
sogleich N. N. an dem recht deutlich ausgeprägten Gesicht und fast mehr noch
an des Verstorbenen Gewohnheit, in charakteristischer Weise beim Rundgang
um den Tisch ab und zu mit den Händen am Tischrand sich anzuhalten. Dem
Lehrer war dies unbekannt, da er N. N. nie gesehen. Nicht einmal ein Bild
kannte er von ihm. N. N. hatte sich verbeten, Bildnisse >on ihm irgendwo
aufzuhängen. Auch wußte der Lehrer nichts davon, daß eben dies Zimmer,
in dem er wohnte, früher das Familienzimmer des N. N. gewesen ist, das
Zimmer, wo Frau und Kinder wohnten und wo N. N. vor dem Schlafengehen
sich noch aufzuhalten pflegte. Vor seinem Tode soll der Verstorbene nach dieser
ihm so lieben Stätte lebhaft sich gesehnt haben). — Dias Fräulein riet deim
Lehrer, das nächste Mal nach dem Phantom zu schlagen. Der Lehrer verschafft
sich eine Peitsche und schlägt nach der Erscheinung. Die Gestalt zuckt sichtlich
zusammen, verschwindet — und kommt nicht wieder. Auch sonst scheint man
>on da an nichts mehr gesehen zu haben. Der junge Lehrer war nicht lange
mehr in der Anstalt und etwa ein halbes Jahr später war auch die Lehrzeit
meiner Tochter beendet. Einige Tage aber nach jenem letzten Vorfall bekam
die Sekretärin einen Brief aus Süddeutschland von ihrer Tante. Diese beschäftigt
sich bisweilen mit Tischklopf versuchen. Sie schreibt, wieder einmal
habe sich N. N. gemeldet — wie schon früher, gleich nach seinem Ableben —
er habe schwere Sorgen im den Bestand seines Ueims geäußert, er suche sich
an seine Bekannten zu klammern, aber niemand wolle ihn verstehen, ja neulich
habe man ihm sogar sehr webe getan ("psychisch?). Die Schreiber in fragt, ob
nicht vielleicht jemand nach ihm geschlagen habe.
Die Anstalt in Nordd°utschland aber mußte kaum zwei Jahre später aus
Gründen einer immer ungünstiger werdenden Umgebung, die sich bereits zu
Lebzeiten des N. N. geltend zu machen anfing, verkauft und in eine andere
fegend Deutschlands übersiedelt werden. —
Von den oben geschilderten Spukerscheinungen hat mir meine Tochter
bald nach ihrer Heimkehr aus Norddeulschland Mitteilung gemacht. Ich
machte mir sofort Notizen, die ich hier stilistisch in Zusammenhang gebracht
habe. An der Sachlichkeit der Aussagen meiner Tochter zu zweifeln, habe ich
keinerlei Grund. Zu gut kenne ich deren nüchtern praktische Mentalität,
abhold aller Mystik und Romantik, deren Wahrhaftigkeit, die mit ihrer Un-
erschrockenheit und Furchtlosigkeit eng zusammenhängt. Fräulein A.. die
Sekretärin jenes Landerziehungsheims, lernte ich früher einmal persönlich
kennen und hochachten. Ich hatte dann keine Gelegenheit, die Beziehung
zu ihr aufrechtzuerhalten und wußte nicht, wo ich sie jetzt suchen sollte.
Noch weniger ist es mir möglich, die Adresse jenes Lehrers in Erfahrung zu
bringen. Es müßte denn sein, daß er diese Ausführungen liest und sich meldet
, falls meine Angaben der Korrektur bedürfen sollten, oder zur wün-
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