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Zimmer: Indische Gauklerkunste und physikalischer Mediumismus. 293

Der Kunst des Taschenspielers sind Grenzen gesetzt, und wie die Vorgänge geschildert
werden, gehen sie über diese Grenze hinaus. Soweit kann man unbedingt
Klinckowstroem zustimmen. Sind aber jene Berichte zuverlässig? Ich
muß ganz offen gestehen, daß ich diese Ueberzeugung nicht haben kann. Vergeblich
sucht man nacb einem unmittelbar nach dem Erlebnis niedergeschriebenen
Berichte eines oder mehrerer zuverlässiger und ihrer Verantwortung bewußter
Zeugen. Die Berichte stammen entweder aus zweiter oder dritter Hand
oder sind Augenzeugenberichte, die erst lange nach dem Erlebnis schriftlich
niedergelegt wurden.

Nicht bestritten sei, daß den Berichten ein wahrer Kern zugrunde liegt. Es
wird ja auch ein Seiltrick wirklieb als „Trick" gezeigt — ich verweise auf
Klinckowstroems Aufsätze — freilich in einer recht primitiven Form. Ein
präpariertes Seil wird durch bestimmte Manipulationen in einen Zustand der
Erektion versetzt und vermag so auf dem Boden zu stehen und dem Knaben
als Kletterstange zu dienen; nicht aber kommt es hierbei zum Verschwinden!
des Knaben, zur Zerstückelung und Wiederbelebung. Man kann sich des Eindruckes
nicht erwehren, daß dieser Taschenspielertrick der wahre Kern aller
jener Berichte ist, und daß das übrige Drum und Dran beim Wandern des
Berichtes von einer Hand in die andere oder infolge autosuggestiv wirkender
schmückender Phantasie bei den Augenzeugen im Laufe der Zeit hinzugekommen
ist. Wenn wir hören, daß Major Branson während eines 23jährigen Aufenthaltes
in Indien sich vergeblich bemüht hat, den Seiltrick zu sehen oder unverdächtige
Augenzeugen zu finden, und daß niemand bisher die von ihm ausgesetzte
Belohnung von 3oo Pfund Sterling für die Demonstration des Seil-
trickes sich verdient hat, so gibt das doch recht zu denken.

Als ich die obigen Gedankengänge bereits schriftlich skizziert hatte, erzählte
mir Herr Baron von Plessen, mit dem ich darüber ins Gespräch kam, ein Erlebnis
, das er in Indien gehabt habe. Er sah eine Zuschauermenge, die sich um
einen Gaukler geschart hatte, meist Eingeborene, darunter aber auch ein Engländer
, der offenbar sehr erregt war. Er trat hinzu und fragte den Engländer,
was es gäbe. Der sagte: „Sehen Sie den Baum nicht? Der ist eben emporgewachsen
!" Plessen sah aber nur einen Sandhaufen ohne die Spur eines
Baumes. Das Erlebnis spricht entschieden für Suggestionswirkung beim Mango-
trick (um den handelt es sich hier). Es konnte mich aber auch diese Erzählung
nicht überzeugen. Plessen vermochte nichts darüber anzugeben, ob auch die
anderen Zuschauer den Baum sahen. Möglich ist immerhin, daß der Mango-
trick auf taschenspielerische Weise herbeigeführt und beim Hinzutreten Plessens
schon beendet; d. h. der Baum schon wieder entfernt war, und daß der vielleicht
sehr suggestibel veranlagte Engländer den Baum noch infolge einer
Autosuggestion zu sehen glaubte. In Frage kommt hier aber nicht, ob Suggestion
oder Autosuggestion beim einzelnen Menschen vorkommt, sondern nur,
ob eine Massensuggestion möglich ist, die bei einem bunt zusammengewürfelten
Zuschauerkreis in einer vom Agenten gewollten Richtung durch rein mentale
Beeinflussung erzielt wird. Das halte ich nicht für erwiesen, kann allerdings
auch nicht behaupten, daß die Sache mit den indischen Gauklern völlig klar sei.

Fasse ich also meinen Standpunkt noch einmal zusammen: Suggestionswirkung
beim physikalischen Medium halte ich für hochgradig unwahrscheinlich
, aber bisher nicht durch die experimentelle Anordnung für ausgeschlossen.


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