Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0317
Haase-Baudevin: Ein Fall v. psychischer Erkrankung infolge spirit. Praktiken. 301

hülen pflegte. Er ließ nie einen herumliegen, scheint alles Derartige vernichtet
zu haben. Wie ich annehme, auf „Befehl der Geister". ;

Auffallend wurde nun mit dem Eintritt der automatischen Schrift, daß sich
eine Vorstellung in Tammer entwickelte, die die Psychiatrie als „Versündigungswahn
" bezeichnel. Ich nehme daher an, daß die automatischen Kommunikationen
ihn keineswegs als Auserwählten und Propheten erklärten, sondern
ihm suggerierten, er sei ein großer Sünder, wie es keinen schlimmeren auf der
Welt gebe. Tammer las in dieser Zeit viel in der Bibel, Gegen seine Kollegen
äußerte er sich oft: „Sie glauben ja nicht, was ich für ein sündiger Mensch
bin! Niemand auf der Welt ist so sündig nie ich!" Die anderen versuchten es
ihm auszureden und sagten, er sei doch ein ganz guter Kerl und tüchtiger
Beamter, aber Tammer schüttelte nur traurig den Kopf und sagte, er wisse jetzt,
wie sündig er sei.

Trotzdem es sichtlich mit seinen Nerven bergab ging, ließ Tammer di<»
spiritistischen Praktiken doch nicht. Und zwar scheint er neben dem automatischen
Schreiben auch das Tischrücken weiter ganz unmäßig betrieben zu
haben. Frl. I. gab an, sie habe den Tisch von unten herauf oft nächtelang
pollern hören, so daß der Lärm sie selbst im Schlafe gestört habe. Seinen
Dienst -verrichtete Tammer aber bis zum zweitletzten Tag vor seiner Ueber-
führung nach der Greifswalder Nervenklinik noch ganz einwandfrei, auch
konnte er völlig zurechnungsfähig seinen täglichen Obliegenheiten nachgehen.
Bis auf den Spiritismus war er eben völlig geistig normal und alle seine geistigen
Anomalien und späteren tinbegreiflichen Handlungen resultierten eben
einzig und allein aus dem Spiritismus.

Anfang voriger Woche nun, **s war am Montag, den i3. oder Dienstag, den

August, kam seine Wirtin aufs Versorgungsamt und machte dort darauf
aufmerksam, es sei nicht mehr ganz richtig mit Herrn Tammer. Er jammere
immer nur über seine Sündhaftigkeit und habe geäußert, ein so sündhafter
Mensch >\ie er, habe kein Recht zu leben und sie fürchte, er werde sich ein
Leid antun. Die Beamlen versprachen auch ein Auge auf Tammer zu haben.

Die ganze Nacht, vom Dienstag, den i\. bis Mittwoch, den i5. August betrieb
Tammer wieder ununterbrochen Tischrücken; und zwar gab Frl. I. an,
der Tisch habe gepoltert, wie noch nie, daß man es im ganzen Hause habe
hören können, sie selbst habe kein Auge zugetan, es aber nicht gewagt, zu ihm
hinunterzugehen. Es steht also wohl fest, daß Tammer in dieser Nacht überhaupt
nicht geschlafen hat. Am anderen Tag ging er aber wie immer aufs
Amt. Während seiner Abwesenheit hatte nun Frl. I. entdeckt, daß er eine
Unmenge Briefe zu Haus© geschrieben hatte und zwar Abschiedsbriefe an seine
Angehörigen, Bekannte tisw. Auch Verfügungen für den Fall seines Todes.
Voller Angst sagte sie einigen Nachbarn Bescheid und diese gingen am Nachmittag
zum Versorgungsamt, um dort zu warnen.

Tammer hatte sich inzwischen vom Hauswart des Versorgungsamtes den
Schlüssel zu einem der großen Tore geben lassen, mit der Angabe, er habe
noch viel Dienstliches zu erledigen, es könne spät werden. Dies ist nicht
ungewöhnlich; — die Beamten pflegen es stets so zu halten, wenn gerade viel
zu tun ist und bleiben dann noch bis in die späten Abendstunden hinein im
Amt, schließen sich selbst eines der Tore auf und geben den Schlüssel am
anderen Morgen dem Hauswart wieder zurück. Der Hauswart gab Tammer
den Schlüssel also ohne Bedenken. Tammer muß aber wohl eine Ahnung


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0317