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gehabt haben, daß Frl. I. ihm vielleicht Aufpasser nachschicken würde. Jedenfalls
sah er, wie die Nachbarn vor dem Fensler seines Bureaus, das zu ebener
Erde liegt, stehen blieben und hörte sie über sich reden. Die Nachbarn, ein
junger Mann und ein junges Mädchen, sahen ihrerseits auch von draußen
Tammer in seinem Bureau stehen unter der brennenden Lampe. Kaum fühlte
Tammer sich aber von draußen beobachtet, als er sich duckte und das Licht
ausdrehte. Die Nachbarn verloren nun den Kopf, redeten laut davon, er würde
sich ein Leid antun und drangen durch den Vordereingang in das Versorgungsamt
, um Tammer in seinem Bureau abzufassen und ihn an irgendeiner
Schreckenstat zu verhindern. Als sie aber in das Bureau kamen, war es leer.
Die Lampe brannte wieder und an Tammers Platz lag noch die nasse Feder,
mit der er geschrieben hatte, auch wieder Abschiedsbriefe. Taimner selbst
war aber fort. Diese Nachbarn wußten nun nicht, daß Tammer den Schlüssel
zu dem hinteren Tor gehabt hatte. Da sie dieses nun \erschlossen fanden, selbst
aber durch das vordere Tor gekommen waren, nahmen sie an, daß Tammer
noch im Gebäude sein müsse und sich versteckt hatte. Es wurde nun der
Vorgesetzte, Herr M. geholt. Nachdem man mit diesem das ganze Haus ohne
Erfolg durchsucht hatte, kam endlich heraus, daß der Hauswart Herrn Tammer
ja den Schlüssel zum hinteren Tor gegeben habe. Nun war kein Zweifel mehr,
daß er das Versorgungsamt durch dieses Tor verlassen hatte. Zu beachten ist
übrigens, daß er das Tor ordnungsgemäß wieder verschlossen halte. Draußen
war es inzwischen völlig dunkel geworden und alles Suchen nach Tammer war
vergebens. Da Herr M. aber auf seinem Platz im Bureau einen Abschiedsbrief
gefunden hatte, in dem der Passus stand: „Ich bin nicht wert zu leben, ich
bin ja in meinen Sünden ertrunken usw. usw.", kam er auf den Gedanken,
Tammer sei am Ende zum Fluß hinunlergelaufen, um sich zu ertränken, und
er ging mit den anderen ans Bollwerk. Aber auch hier fand man keine Spur
von Tammer. Es wurde nun der Schupo Bescheid gesagt und ein Posten ans
Bollwerk gestellt, um aufzupassen, falls Tammer doch noch kommen sollte,
um sich ins Wasser zu stürzen. Weiter ließ sich in der sehr finsleren Nacht —
es regnete — nichts tun. ✓

Am anderen läge, alsj Donnerstag, den 16. \ugust, kam Frl. I. zu Herrn
M. gelaufen und berichtete: „Denken Sie, Herr Tammer ist nach Hause gekommen
!" Und zwar hatte die Sache sich folgendermaßen abgespielt: Als Frl. [.
eben ilu Haus \erlassen wollte, um ins Geschäft zu gehen, begegnete ihr im
Hausflur plötzlich Herr Tammer. „Wo kommen Sie denn her? Wo sind
Sie denn die ganze Nacht gewesen? ' fragte Frl. I. Tammer war bis zu den
Knien völlig durchnäßt, aber oben merkwürdigerweise trocken, als habe er mit
dem Oberkörper unter irgendeinem Wetterschutz gestanden. „Oh, ich bin weit
gegangen, Fräulein I.," war die Antwort, „Sie haben ja keine Ahnung, wie
weit ich gegangen bin!" „Ja, aber wo sind Sie denn gewesen, Herr Tammer? !'*
„Wo ich gewesen bin, das weiß ich nicht. — Weit — w'eit, Fräulein I.! Aber
ich weiß, daß viele Menschen da waren, da wo ich war, o so viele Menschen.
Und alle haben mit mir gesprochen. Aber ich weiß alles, was passiert ist in
meiner Abwesenheit. Ich habe Herrn M. an meinem Schreibtisch stehen sehen
und meinen Brief lesen und dann hat er mein Pull aufgezogen und hat gesagt:
,da hat der Schweinehund ja doch die und die Arbeit wieder liegen lassen!*
(Anmerkung: Herr M. hat allerdings an Tammers Schreibtisch gestanden und
seinen Brief gelesen, auch sein Pult aufgezogen, aber das wenig Schmeichel-


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