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304 Zeitschrift für Parapsychologie. 5. Heft. (Mai 1927.)
„Ich hin noch bewaffnet!" meinte Tanuner darauf. ,.Iiier unter meinem
Arm habe ich noch einen Dolch!"
Da er wirklich den Arm so an den Körper gepreßt hielt, als halle er in der
Achselhöhle etwas verborgen, bog M., der groß und stark ist, ihm mit einem
Ruck den Arm nach oben, aber es war kein«» Waffp zu sehen. „Na, da ist ja
nichts!" sagte er.
Tammer machte darauf ein gehei'mni&\olles Gesicht und antwortete: ,,.Ta,
jetzt ist es nicht mehr da!''
(Anmerkung: Es handeil sich bei der ganzem Sache unzweifelhaft um ein
ganzes, lediglich durch wörtlich geglaubte spiritistische Kommunikationen suggeriertes
AAahnsyslem, das bis zum Mordzwang gegangen zu sein scheint. Denn
anders kann ich Tammers flehendes Vch lieber Göll, ich. nicht sie!", nicht
erklären. Die moralischen Hemmungen des anständigen Menschen Tammer
wehrten sich eben hier gegen die anlimoralischen hypnotischen Befehle, die in
den Kommunikationen enthalten waren. Zugleich natürlich auch mit dem
strengen Befehle, g 4gen jedermann üb »r den Inhalt der Kommunikationen zu
schweigen, i
Tammer war als) sichtlich der subjektiven Ueberzeugung, daß der Dolch
dagewesen war, aber jetzt von irgendeinem Geist weggezaubert wäre. Er wurde
dann aber ganz ruhig und ließ sich von AI. und \A. zu Bett bringen.
Seit zwei, vielleicht aber auch noch mehr "Nachten völlig schlaf loa. scheint
seine Urteils- und AVillcnskraft fast ganz verschwunden zu sein. Jedenfalls
glaubte er ständig mit Geistern in Aerbindang zu stehen und horchte öfters in
sich hinein. Aus aFcn diesen, von den Augenzeugen sehr anschaulich g??ehilderten
Symptomen, nehme ich an, daß auf die Fähigkeit des automatischen Schreiben?,
die des automatischen Denkens gefolgt war, sich also die Zwiesprache mit seinem
verstorbenen Bruder und anderen Geislern, die sich erst mit Hilfe des Tisches,
dann mit Hilfe des Bleistiftes vollzogen haltte, sich jetzt in rasender Schnelligkeit
in seinem gequälten Gehirn abspielte, als Frage des ,,1011". Antwort des
„DU", Befehle des ,,DU", Suggestionen des ,,DL\ Dazwischen Einsicht und
moralische Hemmungen des „ICH". \ erzweifeltes Flehen zu Gott um Hilfe,
dann wieder Unterliegen des „ICH" unter die Suggestion. Zu bedenken ist, daß
die physischen Wide-stände des T. gänzlich erschöpft waren.
Seltsamerweise produzierte sich in denselben Tagen, in denen sich dies«*
<$pirilistentragödie abspielte, der Hypnotiseur Hans Heinz AVolfgang aus Berlin
in Z. Ich konnte somit unmittelbare \ergleiche zwischen der Hypnose anstellen,
die ein Hypnotiseur verursacht und zwischen dem Zustand eines völlig unter
„Geistereinfluß" stehenden Mediums und ich muß sagen, daß ich zwischen
beiden Zuständen keinen Unterschied gefunden habe.
AVenn z. B. Herr Wolfgang unseren biedern Tischlermeister K. aus Z., den
wir alle kennen, in der Hypnosa dazu bringt, einen leeren Stuhl wütend anzuschreien
, was er hier täte und wie er dazu komme, hier mit einem anderen
zu sitzen und warum er nicht zu Hause auf die Kinder pass* - weil ihm
nämlich suggeriert ist, auf dem Stuhle säße seine Braut mit einem anderen
Kavalier — so ist K.s Zustand doch völlig identisch mit dem Tammers, der
Dolche sieht, wo keine sind. Und wenn der Sohn des Bäckermeisters M. in
eine Kartoffel beißt auf Befehl des Herrn W. und einer Dame ihre Tasche
stiehlt, so ist sein Zustand ebenfalls identisch mit dem Zustand Tammers dem
ein Geist offenbar den hypnotischen Befehl gibt, jemanden zu töten. K. und
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