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In/wischen war ein Wagen bestellt worden. Im Halbschlaf wurde lammet
dann hineingepaekl, zur Bahn gefahren, ins \bleil gehoben und nach Greifs-
wald in die Nervenableilung der Universitätsklinik gebracht
Seinem Kollegen, der ihn hingebracht hatte, sagte er am anderen Morgen,
nach dem Aufwachen, gan/ klar: ,,Wo bin ich denn hier?" Und wie er die
Anstaltsräume sah. fragte er: ,,\\ie habl ihr mich denn bloß so schnell nach
Uckermünde gebracht?''
Dorf ist nämlich die Irrenanstalt und er glaubte zuerst dort zu sein. Er
begriff dann sofort, daß er in Greifswald sei. Dadurch, daß sein Gehirn nach
soviel Schlaflosigkeit endlich mehrere Stunden Schlaf gehabt hatte, schienen
auch Urleiis- und Willenskraft neu gestärkt zu sein. Er sagte von selbst zu W..
er dürfe sich in Zukunft nicht mehr mit Spiritismus beschäftigen, ,.er sei dei
Sache nicht gewachsen." Auf der Klinik ist die Krk ^ankumg dann rasch abgeklungen
und in volle Genesung übergegangen, die auch weiterhin standhielt.
Kritik und Methodik*
Die Seherin von Prevorst.
Eine Erinnerung an den 6. Vpril rS^. Von Dr. R. Pissin, Marburg a. L.
„Wir wandeln a.le in Geheimnissen. Wii sind >on einer \.rl Atmosphäre
umgeben, von der wir noch gar nicht wis>en, was rieh alles in ihr regl und wie
e* mit unserem (reis* in Verbindung steht", so sagte einmal der all* Goethe,
als Naturforscher kein geringerer Geist denn als Dichter, zu Eckermann. Selten
ist den Menschen ein tieferer Einblick in jene geheimnisvolle Ytmosphärc \ergönnt
woiden als durch die schlichte Friederike Hauffe, deren letzt*» Leb kns-
jahre Justinus Kerners unvergessenes Buch über ,,Die Seherin von Prevord*
schildert. Dieses Bujh 1) (erschienen 1829 im Coltaschen \ erlag) mit dem
Untertitel: „Eröl fnungeu über das innere Leben des Menschen und übe* das
Hereinragen einer Geisterwelt in die unsere" erregte ungeheures Aufsehen und
erlebte eine Reihe \on Auflagen. Iber die materialistische Wellair>ehamm<>
der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verhinderte die Weilerentwicklung
dieser Forschungen. Erst seit einigen Jahren beginnt mm auch in Deutschland,
den Bemühungen des Auslandes nachhinkend, in den Kreisen der zünftigen Wissenschaft
ernsthaft diese okkulten — oder wie man jetzt meist sagt: paraps)eho-
"^ogischen — Probleme zu studieren: nicht nur zu experimentieren, sondern
auch das ungeheure, seil Monschenallern aufgespeicherte Material durch
zuarbeiten, welches die Bausleine für diese neue Wissenschaft liefern wird.
Zu den wichtigsten Fundamentquadern werden einst jene Beobachtungen geiveh
net werden, die Kerner vor hundert Jahren bei einer Reihe von „Somnambulen '
- - wir würden heute sagen: Medien - machen durfte, anter d«men die
j.Seherin" durch die \ ielseiligkeit und Ein/iflraiiit>k''i' ihrer Phänomene hervorragt
.
Kerner stellte seine Beobachtungen mit jener treuherzigen und frommen
Gelassenheit an, die ihn als Aivl und Mensehen auszeichnete. Mit Recht rühmt
(iotthilf Heinrich Schubert, der berühmte Verfasser der .Ansichten von der
-Nachtseite der Naturwissenschaften", Kerner habe diese Geschichte „ohne Furcht
Siehe meine Neuausgabe in der „Goldenen Klassikerbibliothek" des Deutschen
Verlagshauses Bong Co. Kerners Werke, Auswahl in sechs Teilen.
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