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Zeitschrift für Parapsychologie. 6. Heft. (Juni 1927.)
Weltanschauliches und Theoretisches,
Beitrag zur Geisterhypothese.
Von Dr. med. R. A. II e d d i n g i u s ^Haag).
Die Spiritisten sind davon überzeugt, daß der Tod die Existenz unserer
bewußten Ichheit nicht abschließt, sondern daß wir alle als Geister, die sich bei
günstigen Gelegenheiten mit den noch Lebenden unterhalten können, fortbestehen
werden. Sie meinen, daß uns zu dieser Ueberzeugung eine wissenschaftliche
Entdeckung berechtigt, nämlich Tatsachen, die jeder, der sich der Hilfe
eines guten Mediums bedient, veranlassen und wahrnehmen kann.
Wer über diese Meinung urteilen will, sollte wenigstens eine unparteiische
Erörterung solcher Tatsachen, z. B. die in deutscher Uebersetzung unter dem
Titel .,Die Mediumschaft der Frau Piper" erschienene Sagesche Arbeit, gelesen
haben. Zweifelsohne unterscheiden die dort beschriebenen Ereignisse sich dadurch
von den durch die Physik untersuchten, daß sie, ihrer augenscheinlichen Absichtlichkeit
wegen — ebenso wie vollbewußte (also nicht gewohnheitsmäßige und
nicht instinktive) Taten eines Menschen — nur durch vorhergehendes Denken
verursacht sein können.
Welch besseres Wort hätten \\ir für eine solche denkende Ursache als
„Geist"? Bei der Aufstellung unserer deshalb notwendigen Geisterhypothese
wollen wir uns aber nicht auf die in bedenklicher Weise an Traumphantasien
erinnernden Behauptungen der betreffenden Geister selber verlassen, sondern
versuchen, auf möglichst breiter Basis zum Verständnis dieses Geistwesens zu
kommen.
Die Natur ist eine werdende, zudem eine sinnreiche Ganzheit. Deshalb ist
sie aufzufassen als die Totalität der Wirkungen eines alleinigen Prinzips, das,
sich dieser Wirkungen bewußt, seine progressiven Phantasien zu verwirklichen
sucht. Als dessen Elementarwirkung kann man diejenige Wirklichkeit ansehen,
die, nur scheinbar, zusammengesetzt ist aus einigen ja nicht für sich existierenden
Abstraktionen, wie Energie, Raum, Zeit, Schwere, Trägheit, Elektromagnetismus
. Die weiteren Wirkungen dieses Prinzips oder Allgeistes, der Stoff
und die Körper der Lebewesen, lassen sich dann erfassen als ein selbst nicht
energetisches in eine bestimmte Ordnung bringen der schon vorhandenen Elementarwirkungen
.
Als sich seiner selbst bewußte Ursache aller sowohl in dynamischem wie in
statischem (latentem) Zustande vorkommenden Wirkungen, ist der Allgeist, was
die existierende Natur betrifft, allwissend. Weil er in einer Unmasse von Punkten
im Zwiespalt mit sich selbst wirkt, ist er, gerade so wie unsere in gewisser Hinsicht
ebenfalls eine Einheit darstellende Ichheit, eine Vielbeil. Wir unterscheiden
m. a. W. verschiedene Kräfte und Wünsche.
In der Regel sind die Wirkungen stereotypisch, weil jede Kraft und jeder
Wunsch unter gleichen Umständen immer wieder demselben Ziel nachstrebt.
Darum scheint es den Vertretern der Meinung, daß es nichts außer der Natur
gibt, daß die Ursache einer Veränderung in einer bestimmten vorhergehenden
Veränderung liegen muß. Das haben sie ausgesprochen in ihrem, keine Ausnahme
zulassenden Kausalitätsgesetz. Einen besseren Begriff der Ursächlichkeit
hat das junge Kind, sobald es die kausale Beziehung zwischen seinem Willen und
bestimmten Bewegungen seiner Glieder erfährt, und dann für jede von ihm
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