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Reddingius: Beitrag zur Geisterhypothese.

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selbst nicht verursachte Veränderung eine ähnliche Ursache, einen fremden
Willen voraussetzt. Steckt dieser in leblosen Dingen, dann lernt es ihn später
als Kraft bezeichnen.

Die Ursache einer Veränderung ist also in allen Fällen eine Kraft oder ein
Wunsch. Daß wir die Wirkungen im großen und ganzen als Gegenwirkungen
auffassen können, beweist nicht, daß alle Wirkungen, wie das Kausalitätsgesetz
es will, Gegenwirkungen sind. Die neuere Physik z. B. vermutet spontane Vorgänge
, desgleichen die moderne Biologie. Eine Lösung der Schwierigkeit gibt
die obengedachte Voraussetzung einer Gegensätzlichkeit zwischen der von uns als
Natur wahrgenommenen Wirkungswelt und deren nicht in Zeit und Raum vorstellbaren
, nicht sinnfälligen und dem Kausalitätsgesetz nicht unterworfenen
Ursache, dem spontan phantasierenden und dann als Kraft oder Wunsch Neues
erschaffenden, in der Regel jedoch stereotyp wirkenden Allgeist.

Der Allgeist emittiert die ordnenden Kräfte und Wünsche gruppenweise, als
Komplexe. Dadurch, daß ein Komplex wirkt, formt er sich einen Körper, der
ihn gewisser maßen selbständig macht. Durch diesen Körper, seine statische Wirkung
, erhält er nämlich etwas, das, falls es sich in einem menschlichen Bewußtsein
betätigt, Erinnerungsvermögen genannt wird. Erinnerung erscheint als die
Wiederholung einer Reaktion, die schon früher auf eine bestimmte Einwirkung
folgte. In Beziehung auf den allwissenden Allgeist ist jede Reaktion bewußt,
so daß wir berechtigt sind, die ganze Naturkausalität zurückzuführen auf das
Erinnerungsvermögen der Kräfte, die sich die Stoffe, und der Wünsche, die sich
die Leiber der Lebewesen als ihren Körper geformt haben.

Die Erinnerungen können also Gegenwirkungen auf mechanische Reize sein
und in naturkausaler Weise verursacht werden. Notwendig ist das aber nicht.
So hat z. B. Freud gezeigt, daß viele Träume, also viele Traumhalluzinationen
(d. h. Erinnerungen) in symbolischer Weise lästige Wünsche erfüllen. Das aber
besagt, daß die Ursache solcher Erinnerungen etwas Zweckbewußtes sein muß,
etwas das kein Reiz ist, sondern Reize^erschafft und gar nicht zur Natur gehört.

Die Wunschkomplexe können nämlich mit schöpferischem Denkvermögen
begabt sein. Solches Denken ist inspiriert. Es steht zwar in Beziehung zum
Wunschkomplex, zu einem etwas wollenden Trieb, aber dieser Trieb verursacht
es nicht, sondern erbetet es sozusagen von der Phantasie des Allgeistes. Im
wesentlichen in derselben Wfeise erhalten ja betende Menschen die erhoffte
Gemütsruhe, welche sie mit Recht einer übernatürlichen Gebetserhörung zuschreiben
. Erfolge inspirierten unterbewußten Denkens sind z. B. die, welche
Lourdes, Christian Science, Coue usw. erzielen, aber auch die, welche die
schwarze Magie (sorcelleriej mitunter erhält. Denselben Ursprung haben die
biologischen Errungenschaften aller Lebewesen und die Erfolge der Menschen
auf technischem, künstlerischem und wissenschaftlichem Gebiet.

Unvollendete Verkörperungen darstellende Wirkungen von Wunschkomplexen
sind z. B. die sehr flüchtigen, aber bisweilen sichtbaren, greifbaren und
photographierbaren, medialen Materialisationen. Solch ein Wunschkomplex bedient
sich der Gehirne der von ihm mehr oder weniger besessenen Medien und
Sitzungsteilnehmer. In der Regel kann der in einer spiritistischen Silzung sich
manifestierende Geist auf intellektuellem Gebiet nicht mehr leisten als die Teilnehmer
. Mitunter aber leistet er mehr, wahrscheinlich durch die Verwendung
des Erinnerungs- und des Denkvermögens Abwesender. Die Geister sind ja nicht


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