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Platz: Auch ein Okkultismus-Gegner.
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einer solchen Methode sich herbeiläßt. Professor II. Dingler hat im Verlag Reinhardt
-München 1926 ein Buch herausgegeben: „Der Zusammenbruch der Wissenschaft
." Der Titel schmeckt etwas nach Sensation; daß die Wissenschaft in
beständiger — neuerdings besonders tiefgehender Umgestaltung begriffen und
von absoluter Vollkommenheit weit entfernt ist, scheint mir eine triviale Wahrheit
: In a 11 em uns Gegebenen ist Absolutes nirgends zu finden — warum sollte
es bei der Wissenschaft anders sein! Man braucht darum nicht von „Zusammenbruch
" zu reden. Doch überlassen wir dies und die fachwissenschaftlichen Ausführungen
Dinglers (die sich hauptsächlich auf dem Gebiet der Physik, Mathematik
, Biologie usw. bewegen) der Kritik der Fachkundigen. Aber der Verfasser
hat jenen Ausführungen auch einige Kapitel angehängt, die sich mit dem Okkultismus
befassen — richtiger: ihn so oberflächlich antippen, daß die daraufhin
gefällten Urteile in der Luft stehen.
D. sieht die sogen, okkulten Erscheinungen unter dem Gesichtspunkt des
„Wunders", und zwar derjenigen „Art" von Wundern, die „in angeblich unerklärbaren
Einzelgeschehnissen in Verbindung mit einem Menschen (oder mehreren
)" sich darstellt, sei es, daß diese wollend oder nicht wollend beteiligt seien.
Als eine andere Art von „Wundern" bezeichnet er auch solche Vorkommnisse, die
zwar prinzipiell durchaus wissenschaftlich erklärbar sind, aber durch Zweckmäßigkeit
u. dgl. „das Gefühl der Erschütterung, der Ehrfurcht, der Be- und
Verwunderung erwecken" (S. 336). Das dürfte eine unnötige Verwässerung des
Wunderbegriffs sein. Als treffendste Bezeichnung des „Wunders" erscheint mir
noch immer die trotz ihres „Rationalismus" dem Kirchenvater Augustinus zugeschriebene
: Ein Geschehnis, das r^cht gegen die Natur, sondern nur gegen die
Natur, soweit sie uns bekannt ist, verstößt. Dies steht mit der Auffassung
von D. insofern in Einklang, als er alle Wunder prinzipiell erklärbar
findet — und in diesem Punkt steht er ja ganz auf gleicher Ebene mit dem
wissenschaftlichen Okkultismus. Auch wir gehen wohl alle davon aus, daß die
okkulten Erscheinungen keine „Hexereien" sind, sondern naturgesetzlich bedingte
Tatsachen, — nur daß wir zur Zeit eben noch auf der Suche nach diesen
Naturgesetzen sind, ein Stadium, das nach dem Zeugnis der Wissenschaftsgeschichte
so ziemlich alle Zweige menschlicher Forschung durchwandern maßten
. Die Kluft, die uns von D. und seinen Geistesverwandten trennt, ist die
Antwort auf die Frage: wo ist denn die vorausgesetzte Erklärung des Okkulten
zu suchen? Wir suchen sie in den noch aufzufindenden nalurgesetzlichen
Bedingungen, D. und Konsorten ohne weiteres in Betrug, Täuschung, Selbsttäuschung
u. dgl.
D. fühlt einigermaßen die Verpflichtung, diese Voraussetzung zu begründen.
Und hier stoßen wir auf bedauerliche Unzulänglichkeiten. Ich möchte ihm nicht
gerne die Illoyalität unterstellen, daß er absichtlich die okkulten Tatsachen
nach seinen Vorurteilen zurechtstutzt — ä la Prokrustes — und alles einfach
wegläßt, was nicht in seine vorweg bereit gehaltene Schablone paßt, — aber dann
bleibt eben nur die andere Möglichkeit, daß er die Tatsachen nur ganz ungenügend
kennt, daß er die Literatur des Gebietes, über das er urteilen will, zum
größten Teil ignoriert. Beleuchten wir dies an einigen Beispielen. D. meint
(S. 349)» die Telepathie, wie sie sich z. B. bei Mrs. Piper geäußert habe, bestehe
im Erraten der gesuchten Inhalte aus dem äußeren Verhalten des Auszuforschenden
; werde vom Telepathen etwas gesagt, was nicht zutreffe, dann sei das „vergebliche
Suchen (des Auszuforschenden) nach Uebereinstimmung mit seinem
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