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Zeitschrift für Parapsychologie. 6. Heft. (Juni 1927,)
Auch für den ersten der Apostel erwies es sich praktisch ein Doppelwesen aufzustellen
, so entstand die Figur des Simon Magus (Apostelgeschichte Kap. 8,
9—25, der in Samaria Zauberei trieb, sich auf Christi Namen taufen ließ und für
Geld die Fähigkeit erwerben wollte, durch Auflegung der Hände einem andern den
heiligen Geist verleihen zu können.
Die Apostelgeschichte redet nicht weiter von diesem Vater der Simonie, aber
in Rom und der Campagna lebt sein Angedenken heute noch frisch. Ein hoher
römischer Geistlicher redete mir davon und später fand ich in verschiedenen Klöstern
die Bestätigung dieser Geschichte.
Simon war nach Rom gekommen und genoß dort als Meister der samaritani-
schen Synagoge hohes Ansehen nicht nur im Volke, sondern auch bei Hofe. Als
nun der sagenhafte Simon Petrus in Rom predigte und Wunder tat> entstand ein
nicht geringer Konkurrenzneid zwischen beiden Simons. Der Magus erklärte, er
werde auf dem Forum vor den Augen ganz Roms gen Himmel fahren,» um bei
Gott „seinem Vater" (Barabbas nach jüdischem Sprachgebrauche) über Petrus
Klage zu führen über dessen schlimme Konkurrenz. Am angesetzten Tage erhob
sich Simon Magus aus der Mitte seiner Anhänger vor dem Atrium des Tempels
der Vesta tatsächlich in die Lüfte. Simon Petrus aber betete, Gott möge jenen
fallen lassen, aber nicht tötlich verunglücken. Sein Gebet far.d Erhörung. Mit
gebrochenen Gliedern trugen des Magus Anhänger den Meister hinweg, zunächst
nach Ariccia — woselbst eine samaritanische Gemeinde bestand — und dann nach
Terracina — von wo er nach Samaria eingeschifft werden sollte. Simon Magus
starb aber und wurde in Terracina begraben. Das Interessante an dieser Legende
ist, daß beide Simons Christen waren (Apostelg. 8, Vers 13, bezeugt ausdrücklich
das Factum) und der Streit nur darum ging, wem von beiden die größere okkulte
Macht zukäme. Der Magus stieg in Christi Namen auf und Petrus holte ihn in
Gottes Namen herunter. Albert Hofmann, Mehlem.
lieber den Begriff „Individuum". Sind meine, seit mehr als einem halben Jahrhundert
aus dem Gymnasium herübergeretteten lateinischen Sprachkenntnisse noch
richtig, so hat das Wort Individuum den Sinn unteilbarer Einheit, in-divi-
dere. Ob es schon im klassischen Latein vorkommt oder eine spätere Bildung ist,
vermag ich nicht mehr zu sagen. Da bei seiner Kristallisation zweifellos die psychische
Seite die ausschlaggebende war, so darf man sich nach dem heutigen Stand
der psychopathologischen Forschung mit ihrer Erkenntnis der Besessenheits- oder
kurz der schizophrenen Zustände, mit Recht fragen, wieweit seine Anwendung noch
zulässig ist. Hebt doch der, wenn ich nicht irre, von Bleuler zuerst eingeführte
Term „Schizophrenie" ja ausdrücklich den Begriff des Spaltens, das „schizein",
hervor, womit derjenige der Unteilbarkeit nicht mehr vereinbar ist. Man kann,
w ird man mir vielleicht antworten, das Wort mit Hinsicht auf den alltäglichen üblichen
Begriff stofflicher Unteilbarkeit beibehalten; gebrauchen wir doch auch das
Wort „Medium", obschon wir wissen, daß es dringenden Ersatzes bedürfte, und
wobei ein solcher lange nicht so störend in jahrhundertalte Sprachgewohnheit
eingriffe. Aber ich frage weiter: Ist selbst der restringierte Begriff stofflicher Unteilbarkeit
noch haltbar (ich sehe dabei vom gewöhnlichen Stoffwechsel ab), nachdem
wir die Materialisationen, den Doppelgänger oder die Bilokation, wie ihn die
katholische Kirche nennt, kennen, nachdem uns eine wissenschaftliche Autorität
allerersten Ranges über die stofflichen Erscheinungen der „Katie King" Bericht
erstattet hat, nachdem wir, aus ebenfalls glaubwürdigen Quellen, von vorübergehender
, den Sinnen durchaus wahrnehmbarer partieller De- und nachheriger Re-
materialisation, z. B. bei Frau d'Esperance, Indridi Indridason, gehört haben? Erzählt
uns nicht De Rochas von dem „empfindungslosen Sack", den das Medium nach
„Ausscheidung des Empfindungsvermögens" darstelle? Freilich dürfte hier die
Frage noch offen sein, ob es sich wirklich um Ausscheidung von etwas Stofflichem
oder nur etwa um Autosuggestion oder Suggestion handelt. Wie dem auch sei:
immerhin liegen genügend gesicherte Tatsachen da, um auch hinter die stoffliche
Unteilbarkeit ein stark sichtbares Fragezeichen zu setzen.
Also auch hier, in den scheinbar festest verankerten Begriffen, gilt das Hera-
klitische: „Panta rhei".
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