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Fachliteratur des Auslandes.
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den. „Ich habe von Schrenck-Notzings und Crawfords Experimenten gehört, aber
ich weigerte mich an die Phänomene der Materialisation und Telekinese zu glauben,
da diese Phänomene allen unseren biologischen und physikalischen Erfahrungen
zu widersprechen schienen. Es ist unnötig zu sagen, daß ich für Spiritismus dieselbe
Verachtung hatte, wie sie jeder wissenschaftlich gebildete Mann für Aberglauben
empfindet."
Im Herbst 1923 las Prof. Thirring die Berichte über die Sitzungen, welche
Dr. Holub mit Willi Schneider im Sanatorium am Steinhof hielt. Er blieb skeptisch
. Als der Gelehrte dann zu den Sitzungen mit Willi Schneider eingeladen
wurde, war er skeptischer als die Experimentatoren Prof. Meyer, Direktor des
Wiener Radium-Institutes und Prof. Przibram. Prof. Thirring hatte die Idee,
das Medium im Dunkeln mittels ultravioletten Lichts zu photographieren, allein das
Licht ist so schwach, daß mehr als eine Minute notwendig wäre, um ein gutes
Negativ zu erhalten. Des Gelehrten Erwartungen waren hierdurch sehr herabgestimmt
, aber trotzdem nahm er an einer Sitzung mit Willi am Steinhof teil; es
war die erste Sitzung, welcher Thirring überhaupt bisher angewohnt hatte und
sie fiel negativ aus. Aber er lernte zwei Dinge, welche ihn sehr stark beeindruckten:
vor allem erkannte er, daß seine frühere Theorie einer hypnotischen Suggestion
der Sitzungsteilnehmer einfach unhaltbar war. Ferner, daß die Behauptungen
der Kollegen bezüglich der Sitzungsbedingungen hier mit Willi nicht richtig waren.
Man hatte dem Prof. Thirring gesagt, daß das Medium und seine Beschützer
keinem Forscher erlauben würden, allein in den Sitzungsraum einzutreten und dort
irgendwelche Vorkehrungen zu treffen. Ganz im Gegenteil hatte man Professor
Thirring gestattet, vor der Sitzung allein das Zimmer zu untersuchen und er
machte von dieser Erlaubnis den ausgiebigsten Gebrauch.
„Es ist sehr charakteristisch", sagt Prof. Thirring, „für die Haltung der
Gelehrten, daß einige der Professoren, welche anwesend waren, sich weigerten,
eine genaue Besichtigung des Raumes vorzunehmen. Sie erklärten, daß sie als
Privatpersonen gekommen seien, just zu sehen, was vorgehen würde und daß
sie es ablehnten, als Zeugen des echten Charakters der Phänomene, wenn solche
sich ereignen würden, genannt zu werden. Ich stimmte mit dieser Haltung nicht
überein. Der wahre Wissenschaftler muß von der natürlichen Frage beseelt sein:
Was wird geschehen und was geht vor, daß es geschieht? Statt dessen ist ein
gut Teil der Professoren nur von 'dem Gedanken beherrscht, daß ihr Name "in die
Diskussion einer Sache verwickelt werde, welche als nicht in Einklang mit der
akademischen Würde angesehen wird/«
Prof. Thirring schildert hierauf seine Sitzungen mit Willi (in seinem eigenen
Laboratorium), welche ihn völlig von der Echtheit der telekinetischen Phänomene
überzeugten.
Interessant sind T h i r r i n g s Beschreibungen der mit dem „Medium" Kraus
gehaltenen Sitzungen. Es gelang letzterem selbst unter anscheinend strengsten
Kontrollbedingungen die Teilnehmer zu täuschen, welche erst nach mehreren
Sitzungen den Trick des Kraus fanden. Kraus legte schließlich ein vollkommenes
Geständnis ab.
Die schlechten Erfahrungen, welche man mit Kraus gemacht hatte, blieben
nicht ohne Folgen. Das Wiener Komitee setzte nun für das Medium Willi die Zeit
von zwei Monaten fest, innerhalb derer mit Willi unter den Kon troll bedin-
gungen, welche zum Schlüsse 'Kraus entlarvt hatten, Sitzungen gehalten werden
sollten. Würden in dieser Zeit echte telekinetische Phänomene nicht erhalten
werden, dann würde das Komitee das Resultat als negativ betrachten und sich auflösen
. Prof. Thirring billigt diesen Entschluß nicht, aber er findet ihn menschlich
begreiflich nach den Erfahrungen mit Kraus, allerdings auch als hinderlich auf
dem Wege ernster Forschung.
Prof. Thirring sagt u. a.: „Der Mann, welcher sich den Forschungen dieser
Art widmet, muß immer darauf gefaßt sein, als Narr in den Augen der Oeffentlich-
keit zu erscheinen. Diese Tatsache aber schließt unglücklicherweise einen großen
Teil der Gelehrten von der psychischen Forschung aus, nämlich alle jene, für
welche die Rücksichtnahme auf ihre „Respektabilität" ein wesentlicher Faktor
ihres Lebens ist. Andererseits scheint die Beschäftigung mit psychischer Forschung
eine Anziehung zu sein für die „Desperados" der Wissenschaft, welche nichts zu
verlieren haben und hoffen, auf diese Weise eine wohlfeile Popularität zu ernten.
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