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Buchbesprechungen
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eifriger Forschung, und seit Ausgang des Mittelalters, von Luther bis Harrt
a c k, ist die Literatur über ihn zu kaum übersehbarer Fülle angewachsen.
Die oben angezeigte Schrift ist weit mehr als eine unter den vielen Lebensbeschreibungen
des Heiligen. Denn ihr Autor begnügt sich nicht mit einer deskriptiven
psychologischen Studie, sondern er hat vielmehr mit allen Hilfsmitteln einer
genetisch-dynamischen Seelenkunde dem Werden seiner Persönlichkeit und den
sie gestaltenden Kräften, voll einfühlenden Verständnisses, nachgespürt, und so ist
es ihm denn gelungen, uns Kindern einer so ganz anderen Zeit seinen Helden in
lebenswarme Nähe zu bringen.
In geschickter Vereinigung des synthetischen mit dem analytischen Verfahren
behandelt er zunächst eingehend die Persönlichkeitsgeschichte Augustins, sodann
betrachtet er in klarer und beweiskräftiger Darstellung die psychologischen Zusammenhänge
in den Werken desselben, namentlich in seinen „Konfessionen" und
seinen „Retraktationen", um dann im folgenden Abschnitt darzulegen, in wie hohem
Grade die persönliche Wesensart Augustins für seine weltanschauliche Einstellung
bestimmend war und wie unverkennbar in seinem Lehrsystem, besonders in seiner
Lehre vom Bösen und von der Qnadenwahl, sich affektbelastete Vorstellungskomplexe
auswirken. Nachdem wir so aus den mannigfachen Schichten und Komponenten
seines seelisch-geistigen Seins ein harmonisch und lebenswahr wirkendes
Gesamtbild des Heiligen vor uns erstehen sahen, unternimmt es der Autor letztlich,
auf analytischem Wege die Grundzüge seiner seelischen Struktur aufzudecken und
in kurzen, aber eindrucksvollen Worten auf die unvergängliche Bedeutung
Augustins, seines sittlichen Lebensheroismus ebenso wie seines, wenn auch nur mit
Einschränkungen anerkannten, Lehrgebäudes, hinzuweisen.
Dr. Bergmann, Berlin.
A. Curtis. Die neue Mystik. Schule des Schweigens. (The new Mysticism. Aus
dem Englischen übersetzt von Elisabeth von Brasch.) 2. Aufl. Anthropos-Ver-
Iag, Prien OBB. V u. 135 S. o. J.
Ein wesentlicher Unterschied der geistigen Kultur des Ostens von der europäischen
besteht in der großen Verbreitung von Exercitia spiritualia im fernen
Orient und ihrem fast völligen Fehlen im Westen. Allein die jesuitischen Exerzitien
machten in den letzten Jahrhunderten eine Ausnahme, angestaunt und von den
meisten mißbilligt als eine Art von seelenfeindlichem Maschinenwesen. Das eigene
Ich psychotechnisch zugerichtet, mit dem Ergebnis, daß der Mensch gleichsam aus
dem psychologischen Hinterhalt umgestaltet und seelisch abgerichtet wird, so daß
er sich wie eine gut laufende Maschine verhält und handelt, als geschehe es spontan,
während es doch Mechanisierung ist. Das ist wohl der Sinn der instinktiven Abneigung
, der die Exerzitien des Ignatius von Loyola zu begegnen pflegen. Aber
nicht alle empfinden so, denn im letzten Jahrzehnt haben diese geistigen Uebungen
in zunehmendem Maße Eingang auch in die katholische Laienwelt gefunden.
Und mehr noch: es sind auch außerhalb der katholischen Welt Tendenzen hervorgetreten
, die ebenfalls eine Art von Exerzitien zum Ziel haben. Man gehl wohl
nicht fehl, wenn man in alledem einen Ausdruck der inneren Unsicherheit der
heutigen Menschen erblickt. Man sucht auf einem neuen künstlichen Wege zu
seelischer weltanschaulicher Festigkeit zu gelangen.
Am verbreitetsten und bekanntesten sind die Meditationsübungen der theo-
sophischen und anthroposophischen Bewegung geworden. Aber sie sind nicht die
einzigen, und seit dem Tode Steiners hört man überhaupt nicht mehr viel davon.
Indes es gibt auch noch andere Meditationsschulen. Durch des Grafen Keyserlings
Reisetagebuch wurde die Aufmerksamkeit auf das „Neue Denken" (New Thought)
von Adela Curtis gelenkt, deren eines Buch obenstehend als in Uebersetzung erschienen
angezeigt ist. Die Durchsicht ergibt, daß es sich um altindisches Geistesgut
handelt. Nur ist es etwas dem Christentum angenähert worden. Es handelt
sidi nicht mehr darum, den unpersönlichen Atman im Menschen in der meditativen
Konzentration hervortreten zu lassen, sondern den Gottesgeist in uns. Die begriffliche
Unklarheit ist ebenso groß wie in der indischen Philosophie. Das bedeutet
freilich nicht, daß die Tendenzen der Verfasserin zur Wirkungslosigkeit verurteilt
sind. Wer sich dem Wege der Meditation zuwendet, verfolgt ganz andere Ziele,
als begriffliche Klarheit irgendwelcher Art zu gewinnen. Den meisten Menschen
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