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3. Daß die festgehaltenen Strahlungen noch nicht als die direkte Ursache
der parapsychischen Manifestationen bewiesen seien und daß die beobachteten
Phänomene weit mehr psychischer als parapsychischer Natur wären; daß es
Probleme seien, über die sich streiten lasse und die ich durchaus noch nicht für
gelöst erachte. Daß aber in Beziehung mit den beschriebenen psychischen
wie metapsychischen Phänomenen, deren gemeinsames Substrat sich in
einer besonderen sensoriellen Tätigkeit des Gehirns befindet, elektromagnetische
Schwingungen ausgehen, das ist eben der Punkt, auf den es
ankommt, den ich noch einmal der Aufmerksamkeit Tischners sowie jener Kritiker
empfehle, die gleich ihm Gefahr laufen, leeres Stroh zu dreschen. Wie
man sieht, war eben das eiserne Dilemma Tischners nichts anderes als ein\
falscher Syllogismus.
llans Driesch nun hat zu den Beobachtungen Tischners gu'e Miene gemacht,
indem er von Prämissen der biologischen Philosophie ausging, wenn ich so sagen
kann. Er hat dabei besondere Argumente \orgebracht, welche dem psychomecha-
nischen Parallelismus entgegenstehen, die nur die Basis für eine physikalische
Theorie der parapsychologischen Erscheinungen bilden würden. So schreibt er:
,,Eine zweite parapsychologische Lehre unserer Tage glaubt Telepathie und
Gedankenlesen durch physische Strahlung erklären zu können, also etwa
durch elektromagnetische Wellen, welche im Gehirn des Senders ihren Ursprung
haben und das Gehirn des Empfängers erregen. Das ist natürlich eine rein
physikalische Theorie, und sie hätte nur einen Sinn auf dem Boden de» sogenannten
psychomechanischen Parallelismus, der in einer vergangenen Periode
der Psychologie eine so große Rolle gespielt hat. Baerwald, welcher kürzlich
seine sehr skeptische Haltung den parapsychischen Tatsachen gegenüber aufgegeben
hat und neuerdings Telepathie und Gedankenlesen — mehr freilich
nicht — anerkennt, hat die Strahlungstheorie bis /um äußersten getrieben.
Ich selbst glaube den psychomechanischen Parallelismus als eine Unmöglichkeit
nachgewiesen zu haben. Aber das kommt hier nicht in Frage und ich werde
daher nur zu zeigen versuchen, daß selbst, wenn der Parallelismus zu recht bestünde
, Telepathie und Gedankenlesen keineswegs auf seinen Grundlagen durch
die Annahme von Strahlungen erklärt werden könnten. Da Tischner den Sachverhalt
schon sehr gut analysiert hat, so greife ich nur einen besonderen Punkt
heraus; dieser freilich ist nach meiner Meinung entscheidend:
Auf dem Boden des Parallelismus würde im Hirn des Senders ein spezifischer
materieller Zustand bestehen, welcher seinem bewußten Erleben in einem
gegebenen Momente entspricht; Strahlungen würden >on diesem llirnzustande
ausgehen und würden den entsprechenden materiellen Zustand im Hirn des
Empfängers, nach Art aufeinander abgestimmter Stimmgabeln, erzeugen. Der
Empfänger sollte daher dasselbe Erlebnis haben wie der Geber — aber gerade
das hat er sicherlich nicht. Und eben deshalb bricht die Strahlungstheorie
zusammen. Erörtern wir ein Beispiel4 Ein Mann, der sich in großer Gefahr
befindet, denkt an seine Frau, und die Frau .,sieht'* nun, so wollen wir annehmen
, die Erscheinung ihres Gatten. Aber weder denkt die Frau hier an sich
selbst, noch sieht der in Gefahr befindliche Galle seine eigene Erscheinung!
Das aber „sollte" geschehen auf dem Boden der parallelistischen Theorie/'
Was die Theorien des psychomechanischen Parallelismus anbetrifft, dem
Driesch hier eine Bresche beigebracht hat. so fühle ich mich keineswegs dazu
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