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Platz: Sind Spiritismus oder Animismus „legitime" Hypothesen?

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einer Tatsache, zur Ausfüllung von Lücken der Erfahrung und zur Herstellung
eine9 widerspruchslosen Zusammenhangs von Erfahrungsinhalten (und das ist
ja der Zweck von Hypothesen) eine bestimmte Annahme aufstellen will, so ist
es freilich sehr erwünscht, wenn hierzu bereits bekannte Ursachen zur Verfügung
stehen. Wie aber, wenn dies nicht der Fall ist? Sind alle Hypothesen, die neuen
Erscheinungen gegenüber genötigt sind, sich vorerst auf die Annahme entsprechend
neuer Ursachen zu stützen, sind sie alle „illegitim"? Ich glaube kaum.
Als z. B. Röntgen i. J. 1896 die nach ihm benannte neue Erscheinung entdeckte,
mußte er eben eine damals noch ebenso neue Ursache, die X-Strahlen hypothetisch
zugrundelegen, ebenso war es, als i. J. 1898 das Ehepaar Curie die
Radioaktivität gewisser Elemente entdeckte, oder als Becher zur Erklärung mancher
Wahrnehmungen an Pflanzen-Gallen die ganz neue Annahme einer „fremddienlichen
Zweckmäßigkeit" aufstellte. Wenn man's genau nimmt, so wäre auch
die Erklärung der als „elektrisch" bekannten Erscheinungen durch eine Kraft
mit Namen „Elektrizität" nicht legitim, denn die sogenannte Elektrizität war ja
seinerzeit auch keine „schon bekannte" Ursache, und auch später noch entstanden
über die eigentliche Natur dieser „Ursache" ganz verschiedene und jeweils ganz
neue Annahmen (Fluidum-, Aether-, Elektronen-Theorie).

Unter „wahre" Ursache ist übrigens nicht etwa die wirkliche Ursache zu
verstehen, dann würde es sich ja nicht mehr um eine Hypothese handeln, sondern
um eine verifizierte Annahme, um eine begründete Theorie. Dies gibt auch
D. zu, aber er findet das „Wahre" einer hypothetischen Ursache darin, daß sie
„auch sonst schon als Ursache von Erscheinungen bekannt ist". Das eben scheint
mir nicht zutreffend. Die supponierte Ursache kann m. E. auch dann als eine
„wahre" angesehen werden, wenn sie zwar nicht schon „vorher bekannt" aber
fähig ist, eine umfassende Erklärung der in Rede stehenden Erscheinungen zu
geben, ohne mit diesen Tatsachen selber oder mit anderen sicher feststehenden
Tatsachen oder mit den Gesetzen der Logik in Widerspruch zu geraten. Jede
derartige Hypothese scheint mir eine* „legitime" zu sein. Wenn Kant sagt: zu
gegebenen Erscheinungen könnten nur solche Erklärungsgründe gesetzt werden,
welche ,.nach schon bekannten Gesetzen der Erscheinungen mit den gegebenen
in Verknüpfung gesetzt werden", so kann man dies so verstehen, daß mit den
„Gesetzen", mittels deren man die „Verknüpfung" herzustellen strebt, die altbekannten
logischen Gesetze gemeint sind (also nicht die die Verknüpfung hypothetisch
fundierenden Real-Ursachen).

Der Weg der Wissenschaften wäre freilich bequemer und sicherer, wenn
nicht immer wieder neue Tatsachen auftauchten, deren Ursachen zunächst „noch
nicht bekannt" sind. — Zweifellos irrt D., wenn er (S. 6*26) folgendes Urleifc-
Schema aufstellt: „1. Wenn U. (Ursache) besteht, so ist W. (Wirkung). 2. Nun
stimmt T. (die zu erklärende Tatsache) mit W. überein: folglich 3. T. ist eine
Folge von U."

Nach diesem Schema müßte man z. B. schließen können: 1. Wenn ich einen
Säbelhieb auf den Kopf bekomme, entsteht eine Wunde. 2. Ich habe tatsächlich
eine Kopfwunde; folglich 3. habe ich einen Säbelhieb bekommen. Die Wunde
kann aber doch ebensogut durch einen Fall von der Treppe, durch Anstoß an
einen Balken, durch einen herabgefallenen Ziegel usw. verursacht sein. Es läßt
sich zwar von der Ursache auf die Wirkung, aber keineswegs immer von der
Wirkung auf die Ursache schließen. Doch dies nur nebenbei, da es für unsere
Grundfrage von wenig Belang ist.

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