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dessen Verheerungen ihm besonders darum zu Herzen gingen, weil sie durch eine
gedankenlose Sitte so gern beschönigt werden, und ihnen dadurch indirekt Vorschub
geleistet wird.
Im Jahre 1898 wurde ihm als Nachfolger Foreis die Leitung der Irrenanstalt
Burghölzli übertragen. Hier vertiefte er die früheren Beobachtungen und faßte seine
Erfahrungen zusammen in seinem grundlegenden Lehrbuch der Psychiatrie. Durch
seine Darstellungen hat die Ansicht vom Wesen der Geisteskrankheiten eine nicht
unbeträchtliche Modifikation erfahren. Uid die spätere Forschung wird noch lange
auf seinen klaren und präzisen Arbeiten aufbauen müssen.
Was besonders sympathisch anmutet, ist, daß Bleuler für die Forschungen und
Resultate anderer neidlose Anerkennung zollte und mit seltener Unvoreingenom-
menheit jede neue Erscheinung auf dem Gebiete der psychischen Forschung auf
sich einwirken ließ. Ob es sich dabei um die Arbeiten und Theorien Freuds handelte
oder um Versuche mit Chiromanten oder Graphologen, Bleuler setzte keine
Widerstände a priori entgegen und ließ sich, wenn die Resultat? stimmten, auch
von der Möglichkeit derartiger Praktiken überzeugen. Er geht dabei allerdings
ganz vom Standpunkt des Empirikers aus und läßt manches lieber unerklärt, als
daß er sich mit einer irgendwie schiefen Erklärung abfindet. In den letzten Jahren
hatte er auch einigemal Gelegenheit, mediumistischen Versuchssitzungen mit Willi
und Rudi Schneider beizuwohnen. Und da trat wiederum seine unbestechliche und
scharfsichtige Art in Erscheinung. Was er an Phänomenen einwandfrei beobachten
konnte hielt er auch nachträglich durchaus aufrecht. Und gelegentlich hat er sich
mit aller Schärfe gegen jene Opportunisten gewandt, die ihre Ueberzeugung widerrufen
, weil das herrschende Urteil dagegen spricht.
So zeigt sich Bleuler in seiner menschlich warmherzigen Art, <n seiner unbeirrbaren
rastlos vorwärts drängenden Erkenntnis, in seiner immer noch jugendlichen
Autnahmefähigkeit für Neues und Ungewohntes und in seiner wohlwollenden
aber gewissenhaften und unbestechlichen Kritik als das Ideal des Wissenschaftlers.
Dr. Rudolf BernouIIi.
Unser Mitarbeiter Dr, W. Platz, Oberregierangsrat a. D., in Gießen, ist im
Alter von 76 Jahren verstorben. Er beschäftigte sich seit vielen Jahren mit der
wissenschaftlichen Erforschung des Okkultismus und trat seinerzeit schon mit
du Prel in Verbindung. Er war Verfasser des gemeinverständlichen Buches: „Die
Forschungsgebiete des Okkultismus." (Verlag Strecker und Schröder, Stuttgart
1924.) Der Verstorbene, dessen letzten Beitrag wir im vorliegenden Hefte veröffentlichen
, war der Schwiegervater unseres verehrten Mitarbeiters Univ.-Prof.
Messer. Red.
Freiherr von Schrcnck-Notzing mußte sich vor einigen Wochen in München
einer Blasenoperation unterziehen, die gut verlaufen ist. Die Wundheilung macht
erfreuliche Fortschritte und ist sein Allgemeinbefinden, wie wir uns in den letzten
Tagen in der Klinik selbst überzeugen konnten, recht zufriedenstellend. Auch
vQm Krankenbette aus nimmt er in bekannt reger Weise Anteilnahme an unserer
Zeitschrift und den allgemeinen Vorgängen auf unserem Gebiete. Wir sprechen
unsere besten Wünsche zu recht baldiger völliger Genesung aus. S.
Die Constantin Brunner-Gemeinschaft setzt einen Preis von 1000.-— Reichsmark
für die beste Arbeit über das folgende Thema aus:
„Wodurch unterscheidet sich die Psychologie Constantin Brunners von aller
bisherigen Psychologie?"
Bei der Lösung dieser Aufgabe soll nicht nur das allgemein Grundlegende über
den ^Praktischen Verstand" im Sinne Brunners berücksichtigt werden, sondern
auch im besonderen dessen Auffassung von der Spezifikation des Wissens („Denkens
" im gewöhnlichen Sprachgebrauch) und die veränderte Stellung,
welche sich durch die Auffassung vom wissenden Denken
gegenüber Dogmatik wie Skeptik zur endgültigen Ueber-
windung beider ergibt.
Näheres ist zu erfahren durch den Vorsitzenden der Constantin Brunner-Gemeinschaft
, Dr. Fritz Blankenfeld, Berlin, Landshuter Straße 7.
Auf Antrag des Professor Dr. Karl Gruber wurde, noch kurz vor seinem
Ableben, das Werk des Dr. Max Kemmerich „Die Brücke zum Jenseits" (Albert
Langen Verlag, München, 1927) gerichtlich beschlagnahmt wegen Verletzung des
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