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Carlos Mirabelli, das neue brasilianische Medium.
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Mirabelli, welcher vollkommen gefesselt war, erhielt nach Eintritt des
Trancezustandes die bereits angeschwollenen Armgelenke frei, während die
Füße unter Kontrolle blieben. Er saß auf seinem Stuhl und wurde von allen
Anwesenden scharf beobachtet. Plötzlich bewegte sich der Sessel und verschob
sich samt dem Medium von seinem Platz, und zwar, dies wurde ausdrücklich
festgestellt, ohne Nachhilfe der Beine Mirabellis. Dieser wandte seine Augen
zum Himmel, breitete die Arme aus, schien verzückt. Nach einigen Minuten
des stillen Gebetes machte der Stuhl wieder einen heftigen Ruck und hob sich
einige Zentimeter vom Boden. Unter gespannter Aufmerksamkeit wurden
Füße, Arme und Seiten des Mediums beobachtet. Der Stuhl erhob sich mit
der Versuchsperson immer höher in die Luft, schwebte hin und her und erreichte
endlich eine Höhe von 2 Metern vom Fußboden. Die Anwesenden nahmen
sofort eine Nachprüfung des Sitzungszimmers vor. Die Levitation dauerte
ausgezählte 120 Sekunden. Die Kontrolleure begleiteten den ahne Stützpunkt
in der Luft schwebenden Stuhl, der sich in einer bestimmten Richtung fortbewegte
, schließlich 2,3o Meter von seinem ursprünglichen Platz entfernt war
und sich dann endlich langsam zu Boden senkte. Das Medium war unterdessen
in Exstase und sprach mit den verschiedenen Wesenheiten wie Galilei, Newton,
Dante, Jesus. Die Worte kamen stoßweise heraus. Respiration kurz und
schwach, Temperatur 36,9; Teilanästhesie der Haut. Das Protokoll hebt hervor,
daß der Versuchsraum einer gründlichen, ja inquisitorischen Untersuchung
unterworfen wurde; jeder Tisch, jede Schüblade, alle Bilder, Stühle, Regale,
Bücher, Wände, Schränke, alles wurde genau geprüft. Der Helfershelfereinwand
und die Betrugshypothese erledigen sich nach Ansicht der Kommission
hierdurch von selbst. Nach dem Erwachen erinnerte sich Mirabelli an nichts.
2. Beispiel.
Sitzung im Laboratorium der Studienkommission in Santos unter dem Vorsitz
der Herren Dr. Estanislau de Camargo, Alberto Riveira und J. F. Schmidt.
Anwesend zahlreiche angesehene Persönlichkeiten. Zeit: 9 Uhr vormittags.
Der Versuchsraum ist 10 mal 11 Meter groß, liegt im Erdgeschoß, mehrere
Straßenfenster, welche durch solide eiserne Riegel abgeschlossen sind. Der
Fußboden besteht aus schmalen Brettern, welche, eins ums andere, daraufhin
nachgesehen wurden, ob sie nicht für Tricks vorbereitet seien. Es wurde alles
in Ordnung befunden und festgestellt, daß man nur dann ins Zimmer dringen
könnte, wenn man die dicken Mauern oder die in den Stein gelassenen Türen
einrennen würde.
Mirabelli sitzt auf seinem Stuhl; erblaßt tief. Seine Aug(en sind herausgetrieben
; er windet sich, als ob ihn jemand an der Gurgel drosselte. Bald
tritt Tieftrance ein. Lethargie wechselt mit starken klonischen Zuckungen,
Temperatur 36,2. Unregelmäßiger Puls bis 128, absolute Unempfindlich-
keit der Epidermis. Der Zustand des Mediums ist bedenklich. Starker Schweißausbruch
. Offensichtlich werden an die Kräfte des Mediums die höchsten
Ansprüche gestellt und es scheint alle vitalen Energien einzusetzen, um die
Krise zu überwinden, deren Ursache wir nicht kennen. Plötzlich hört man
von einem Tisch des Saales her drei Schläge und eine kindliche Stimme
ruft „Papa!"
Dr. Ganymed de Souza, einer der Anwesenden, erklärt tief ergriffen, er
erkenne die Stimme seines Töchterchens, welches in der Bundeshauptstadt einer
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