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Carlos Mrabelli, das neue brasilianische Medium.
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wort bildeten sich sofort der Halswirbel, dann Brustkorb und Arme, die Wirbelsäule
, Beckenknochen, die Beine und schließlich die Füße mit allen Knochen.
Das Medium, an beiden Armen gehalten, deliriert, stößt eine Menge schaumigen,
Speichel aus und schlägt auf seinem Stuhl frenetisch gegen sich selbst. Alle
Schlagadern erscheinen gestaut und pochen heftig. Mirabelli verbreitet einen
starken Leichengeruch, der die Anwesenden in hohem Maß belästigt und das
Zimmer derart verpestet, daß selbst frische Luft ihn nicht vertreibt Das
Skelett stellt sich auf die Beine und schickt sich an, mit unsicheren, großem
Schritten durch das Zimmer zu gehen in der Art etwa, wie ein aufgescheuchter
Storch. Scheint es zu stürzen, so bringt es sich wieder ins Gleichgewicht
. Dr. Ganymed de Souza sucht sich durch Berührung von der Realität
der Erscheinung zu überzeugen. Er beklopft die harten, schmierigen Knochen,
empfindet einen Nervenschlag und kehrt wieder an seinen Platz zurück. Das
Medium krümmt und windet sich auf seinem Stuhl und ist nur mit Mühe festzuhalten
. Das Skelett setzt seinen unheimlichen Rundgang fort. Die Teilnehmer,
angeregt durch das Beispiel des Dr. Ganymed de Souza, überwinden ihren
Abscheu, erbeben sich, einer um den anderen, und berühren diese düstere
Verkörperung des Todes und des Nichts. Alle sind erschüttert von dem
traurigen Bild, das so deutlich das Schicksal des Menschen zeigt. Der Leichengeruch
bleibt bestehen. Das Skelett beginnt langsam, in ausgezählten Minuten,
sich aufzulösen, anfangend he** den Füßen, bis schließlich nur mehr der Schädel
in der Luft schwebt, der nun nicht mehr mfit den Kinnladen klappert,
sondern auf den Tisch fällt und dort liegen bleibt.
Das ununterbrochen gefesselte und kontrollierte Medium windet sich in
Krämpfen; es kommt langsam zu sich, Blutzirkulation und Atmung setzen wieder
ein, aber es bleibt eine starke Erschöpfung zurück.
Eine lebhafte Diskussion ventiliert auch die Frage der Massensuggestion.
Die genaue Nachuntersuchung des Mediums, des Versuchsraums und des Totenschädels
ergibt nichts Verdächtiges.
Alles das geschah um 9 Uhr 45, vormittags, bei strahlender Sonne tinter
einer fast polizeimäßigen Kontrolle in Gegenwart vieler gebildeter Persönlichkeiten
und währte 22 ausgezählte Minuten!
4. Beispiel.
Während die Anwesenden noch das vorhergehende Erlebnis diskutierten,
geriet das Medium neuerdings in einen Erregungszustand und behauptete, im
Zimmer den Körper des Bischofs Dr. Jose de Camargo Barros zu sehen, der
bei dem Schiffbruch des „Syrio" ums Leben gekommen ist. Die Diskussion
riß ab, Mirabelli wurde unter die vorschriftsmäßige Kontrolle genommen,
welche die Herren Ataliba de O. Aranha und Odassio Sampaio übernahmen.
Süßer Rosenduft erfüllte das Zimmer. Das Medium erbleichte und fiel in
Trance.
Innerhalb des Versuchsfeldes, das der Zirkel abschließt, wurde plötzlich
ein feiner, leichter Nebel gesehen, auf den sich aller Augen richteten. Das
Medium blieb an Armen und Beinen gesichert. Der Nebel teilte und verdichtete
sich, glänzte wie eine goldene Wolke, aus der sich langsam, in ausgezählten
Minuten, eine Gestalt ablöste, die lächelnd, das bischöfliche Barett auf
dem Haupte, angetan mit allen Insignien seiner Würde, sich vom Stuhl erhob
und mit lauter, allen vernehmbarer Stimme seinen Namen: Dr. Jose de Camargo
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