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Ludwig: Ein Fall von Telepathie und zeitlichem Hellsehen.

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aus dem Wasser zu ziehen, aber wegen der furchtbaren Schmerzen im gebrochenen
Fuß konnte er sich nicht weit schleppen. So lag der Arme zwei Tage
und zwei Nächte ohne Hoffnung auf Rettung. Da tauchte endlich hinter einem
Felsen eine gedrungene, derbe Gestalt auf mit struppigem Vollbart und dichten,
über die Stirne hereinhängenden Haaren auf. Es war Pius Ell er, der Gemeindehirt
\on Schmim. „Also dercht{(= doch) ein Mensch!" rief er voll Verwunderung
aus im Anblick des Verunglückten. Eller holte vier kräftige Männer aus
Käsern, die dann auf einer Tragbahre den kaum noch Atmenden mühsam
hinabtrugen. Das Merkwürdige an dieser Rettung ist nun die Art und
Weise, wie Eller auf den Gedanken kam, die steile Bergwand zu ersteigen und
nach einem Verunglückten zu suchen. Hilferufe waren drunten in dem mehrere
Stunden entfernten Käsern nicht vernommen worden, war ja doch Stadler
schließlich so schwach, daß er nicht mehr rufen konnte. Aber der gesunde und
kräftige Pius Eller hatte eine unruhige Nacht gehabt. Immer wälzte er sich im
Bett umher und hatte auf die Frage seiner Frau nur die Antwort, es treibe ihn
eine Macht auf die Berge, dort etwas zu suchen. Da der anbrechende Tag ein
Sonntag war, ging er zunächst ins Hochamt, kehrte dann im Widdum (= Pfarrhaus
) ein. um einen Schoppen Wein zu trinken. In manchen entlegenen Tiroler
Gebirgsdörfern muß ja der Pfarrer auch den Wirt machen. Eller sagte auch
dem Pfarrer Ruf inatscha, es treibe ihn etwas auf die Berge. „Mit
oder ohne Büchs", sagte der Pfarrer, der wußte, daß Eller manchmal den
Gemsen nachging. „Heut ohne Büchs. Muß nur suchen, was sich verstiegen
hat." „Was soll sich denn droben verstiegen habend" fragte der Pfarrer. „Seil
weiß i nit, Hochwurdiger, aber eppaslaßt mir schon 10 Stundlang
k ei Ruh. Muß doch was dran sein." So eilte nun Pius nach Hause, nahm
rasch sein Mittagessen ein und ohne sich durch das Spötteln und Brummen
seiner Ehegesponsin abhalten zu lassen, nahm er Rucksack und Bergstock und
— was wieder ganz auffallend ist — er schlug nicht den begangenen Tuxer
Weg ein, sondern, wie von einer unsichtbaren Macht getrieben, kletterte er ohne
Weg und Steg aufwärts zur Frauenwan3 und dort erblickte er den in einer
Mulde liegenden Verunglückten. Was dann weiter geschah, wie schwierig der
Abtransport vor sich ging, die 29 Leidenswochen im Krankenhaus zu Innsbruck,
das lese man in dem Schriftchen nach. Für uns ist aber von großem Interesse
noch folgendes. Stadler regte sich in den ersten Stunden nach seiner Reitung
sehr bei dem Gedanken auf, welchen Eindruck die Schreckensnachricht von
seinem Unglück auf seine in München wohnende herzleidende Mutter machen
werde. Vllein diese war schon vorbereitet: denn Stadlers Schwester Luise sah
zwölf Stunden vor dem Eintritt des Unglücks dieses in einem
Wahrtrauni in allen Einzelheiten voraus, lief laut jammernd noch in
der Nacht ins Schlafzimmer der Eltern und berichtete, sie habe den Bruder deutlich
gesehen, wie er mit zerbrochenem rechten und verrenktem linken Fuß quer
in einem Bergbach läge, wie nur noch Kopf und Schultern aus dem Wasser
hervorragen, wie rundherum steile nasse Felsen emporstreben, wie hinter ihm
ein Wasserfall abstürze und vor ihm eine Kaskade hinabrausche. Alles
stimmte vollkommen und Stadler versichert, er könne die Wahrheit des
Erzählten auf seinen Eid nehmen. Seine Angehörigen hatten daheim sich um
ihn keine Sorge gemacht, weil er aus dem Zillertal geschrieben hatte, er nehme
diesmal keine Bergbesteigung vor. Ich halte es für unnötig, diesen klaren
Tatsachen auch nur ein Wort hinzuzufügen. —


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