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470 Zeitschrift für Parapsychologie. 8. Heft. (August 1927.)
Zur Fernwirkung Sterbender.
Von Dr. Emil August Glogau, Frankfurt a. M.
Ich wurde durch ein Spukerlebnis früher Kindheit, an dem ich nur teilweise
beteiligt war, zur Erforschung okkultistischer Phänomene angeregt, die
mich zu einer Ablehnung der spiritistischen Hypothese geführt hat, die ich in
Nr. 7 und io 1926 dieser Zeitschrift ausführlich begründet habe.
Nach der Niederschrift dieser Artikel habe ich nun selbst zwei neue Spukphänomene
Sterbender erlebt, die ich veröffentliche, um an diesen Schulbeispielen
zu zeigen, daß dabei eine nachweisbare Fernwirkung
bis zum Augenblick der Zerstörung der Gleisbahnen des
Nervzellensystems feststellbar war, darüber hinaus aber jede
Aeußerungsmöglichkeit versagte.
Ich will aber auch das Kindheitserlebnis erzählen, weil es einen seltsamen
Kontakt mit den von Ernst Schillemeit in Heft 4 icp6 dieser Zeitschrift
erzählten „Okkulten Erlebnissen" hat, und zwar den, daß beide — zeitlich
wohl auseinanderliegenden Erlebnisse — höchstwahrscheinlich von demselben
quadratischen Hof desselben Häuserblocks ausgingen, denn mein Elternhaus
lag in der Breiten Straße in Thorn und sein Hof ging auf die Hinterfronten
der Heuser der Culmer Straße, wo sein Erlebnis spielte.
Erster Fall: Meine Eltern hatten zu Anfang der achtziger Jahre in einer
Vorstadt Thorns die Verlobung meiner 17 jährigen Base Helene B. gefeiert, die
sich mit meiner Mutter besonders innig verbunden fühlte. Beide hatten dabei
Krebse gegessen, durch die meine Mutter mit Typhusbazillen infiziert wurde.
Der mit meiner Mutter persönlich befreundete Arzt, der damalige Oberstabsarzt
und spätere Potsdamer Kreisphysikus Dr. P., isolierte sie streng in einem
Hofzimmer, zu dem niemand außer ihm und der Krankenschwester gelangen
konnte.
Noch in der ersten Woche wurde die Kranke nachts durch starkes Pochen
an der Tür aus dem Schlaf geweckt. Sie bat die Krankenschwester nachzusehen.
Diese suchte sie in der Annahme eines Deliriums zu beruhigen und stellte ihr
vor, daß nach der Lage des Zimmers niemand au der Tür sein könne. Gleich
darauf hörte aber auch die Schwester das Klopfen an der Tür; sie rief, daß sie
strenge Weisung habe, niemand zu öffnen. Gleich darauf wurde zum dritten
lale geklopft und da sich die Kranke sehr beunruhigt zeigte, öffnete die
Schwester die Tür. Es war niemand zu sehen. Die nun auch beunruhigte
Schwester durchsuchte den Korridor, prüfte ;die festverschlossene Haustür,
begab sich in das eine Etage höher gelegene Schlafzimmer meines Vaters und
überzeugte sich von der vollkommenen Nachtruhe des ganzen Hauses.
Als sie zur Kranken zurückkehrte, sagte diese matt: „Es war Lenchen, die
sich von mir verabschieden wollte", und fiel in tiefen Schlaf. Als der Arzt die
Kranke nach drei Tagen nachmittags durch ein leichtes Gespräch zu erheitern
versuchte, schrak sie plötzlich zusammen, hielt seine Hände und sagte: „Still,
lieber P., lassen Sie mich beten. Eben trägt man mein totes Lenchen vorüber."
Dr. P. sprang auf, winkte die Schwester heraus und machte ihr darüber Vorwürfe
, daß sie der Kranken den in jener Spukstunde erfolgten Tod des jungen
Mädchens, die am Typhus gestorben sei, nicht ebenso wie die Stunde ihres
Begräbnisses verheimlicht habe. Die Schwester versicherte, daß sie selbst nichts
von dem Tode der H. B. gewußt habe und erzählte nun erst das nächtliche Spuk-
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