http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0492
476 Zeitschrift für Parapsychofogie. B.Heft. JAugust 1927.)
Erstaunen überkam mich, und ich sah nach den Wolken, und diese näherten
sich leise dem Bette, bis sie dasselbe vollständig eingehüllt halten. Als ich dann
in den Nebel hineinstarrte, gewahrte ich zu Häupten meines im Sterben
liegenden Weibes eine weibliche Gestalt, etwa drei Fuß groß, durchsichtig,
dennoch wie ein lichter Schein von leuchtendem Gold, eine Frauengestalt, so
erhaben von Anblick, daß mir die Worte fehlen, sie genauer zu beschreiben.
Eingehüllt in ein griechisches Gewand mit langen, lose herab wallenden Aeraieln.
Auf ihrem Haupt eine strahlende Krone. So stand die Gestalt in ihrem vollen
Glänze und ihrer Schönheit unbewegt da, ihre Hände über meine Frau erhoben,
schien sie ihr gleichsam einen Willkomm zu bieten mit heiterer, stiller Miene,
würdevoll Ruhe und Frieden ausstrahlend. Zwei andere Gestalten in Weiß
knieten an der Seite meines Weibes und lehnten sich anscheinend gegen sie an.
Andere Gestalten schwebten über dem Bett mehr oder weniger deutlich.
Ueber meiner Frau, indessen durch ein Band mit ihr verbunden, das über
dem linken Auge von der Stirne ausging, schwebte in die Höhe eine unbekleidete
weiße Gestalt, anscheinend ihr Astralkörper. Zeitweise verhielt sich die so verbundene
Person vollständig ruhig, dann aber schrumpfte sie in sich zusammen,
bis sie nicht größer als etwa 18 Zoll war. Der Körper war vollständig, Arme
und Beine alles vollständig. Während der Astralkörper so an Gestalt abnahm,
wandte er sich öfter heftig hin und her, schlug mit Armen und Beinen um sich,
vermutlich in der Absicht, sich freizumachen und zu entkommen. Er wandte
sich so lange hin und her, bis er entkräftet zu sein schien,. Dann wurde er
ruhig, nahm wieder an Größe zu, um das nämliche Spiel von neuem beginnen
zu lassen.
Diese Vision, oder was es auch sein mochte, habe ich andauernd währendl
der ganzen fünf Stunden gehabt, die dem Scheiden meiner Gattin vorausgingen.
Unterbrechungen, wenn ich z. B. mit meinen Freunden sprach, mein Auge
schloß und den Kopf abwandte, vermochten das Blendwerk nicht im mindesten
zu beeinflussen; denn sobald ich wieder meinen Blick auf das Sterbebett richtete,
war auch die Geistererscheinung zu sehen. Diese ganzen fünf Stunden hindurch
hatte ich ein seltsames Gefühl der Bedrückung, eine schwere Last lag auf
meinem Kopf und meinen Gliedern, meine Augen waren schwer und voll
Schlaf. Und während dieser Periode waren die Empfindungen so seltsam, die
Erscheinungen so beständig und lebhaft, daß ich glaubte, den Verstand zu verlieren
, und mehr als einmal dem behandelnden Arzte von Zeit zu Zeit sagte:
„Herr Doktor, ich verliere meinen Verstand."
Endlich trat der verhängnisvolle Augenblick ein. Ein Keuchen, der Astralkörper
wand sich hin und her, mein Weib hörte auf zu atmen; es machte den
Anschein, als wenn sie nun gestorben. Einige Augenblicke später jedoch begann
sie wieder zu atmen, zweimal und dann war alles still. Mit ihrem letzten
Atemzuge und dem letzten Seufzer, ab die Seele den Körper verlassen hatte,
war das Verbindungsband plötzlich abgerissen und die Astralgestalt verschwunden
. Die Wolken und die Geistergestalten verschwanden augenblicklich,
und seltsam, das ganze schwere Gefühl, das auf mir gelastet hatte, war mit
einem Male von mir gewichen. Ich war mir selbst wiedergegeben, kaltblütig,
ruhig und besonnen, und von dem Augenblick des Todes an befähigt, alle
Anordnungen betreffs des irdischen Körpers und seiner Bestattung zur letzten
Ruhe zu treffen.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0492