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Zeitschrift für Parapsychologie. 8. Heft. (August 1927.)
Herr G. aber ist durchaus normal und befindet sich sowohl körperlich als auch
geistig in vollkommen gesundem Zustande, hat seinem Geschäfte wie bisher
vorgestanden und dabei noch manche Nebenpflichten getreulich erfüllt.
Weltanschauliches und Theoretisches*
Die Methoden der parapsychologischen Theorienbildung.
Von Hans Driesch, Leipzig.
I.
Allgemeine Methodologie.
Von alters her bemüht sich die Philosophie um eine gute und zuverlässige
Methode, d. h. eine solche, deren Resultate man ohne allen Zweifel oder wenigstens
mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit annehmen kann. Fast
jedes kritische Buch über philosophische Gegenstände hat ein methodologisches
Kapitel und einige Werke wie z. B. diejenigen von Descartes, Hume und Kant
sind ganz ausschließlich methodologischen Fragen gewidmet.
Blicken wir einmal auf Descartes* Discours de la methode. Alles scheint
hier w jeinfach und ist doch so tief: Zerlegt eure Probleme; seht nicht als einfach
an, was zusammengesetzt ist; beginnt mit dem Einfachen und schreitet zum
Komplizierten vor; nehmt nur solche Ergebnisse an, welche so „klar und deut-
lich" vor euch stehen, daß sie gar nicht bezweifelt werden können.
Ich beabsichtige hier einiges über die Methode der Parapsychologie zu sagen,
aber nur nach einer bestimmten Richtung hin. Denn es gibt natürlich in unserer
Wissenschaft methodische Fragen von zweierlei Arten. Die Parapsychologie ist
nämlich nicht eine aprioristische Wissenschaft wie z.B. die Geometrie, sondern
eine empirische; und bei jeder empirischen Wissenschaft handelt es sich um
zwei Dinge: die Tatsachen und die Theorie. Und so gibt es denn in ihr auch
zwei methodologische Probleme.
Wie müssen wir vorgehen, um Tatsachen sicherzustellen? Dies ist für
jede empirische Wissenschaft die erste Frage, ganz gleichgültig, womit sie sich
beschäftigt. Sehr viel ist nun, um es kurz so auszudrücken, über die Methode
des Entdeckens auf dem Gebiet der Parapsychologie geschrieben worden.
Iqh werde daher über diesen Punkt hier nur ein paar Worte sagen, um dann
bald zu den Fragen der theoretischen Methodologie überzugehen.
Es handelt sich um die Frage des Experiments, in unserem Fall also
des mediumistischen. Vieles ist hier sehr sorgfältig ausgearbeitet: Arbeite, wenn
es möglich ist, nicht in völliger Dunkelheit, kontrolliere vor der Sitzung Körper
und Kleider des Mediums so sorgfältig wie möglich, kontrolliere während der
Sitzung Hände, Füße und Mund des Mediums, kontrolliere die Beisitzenden,
laß einen Taschenspieler anwesend sein usw.
Das ist alles ohne Zweifel sehr schön und wahr. Freilich kann ein Punkt
nun alle diese schönen methodischen Regeln illusorisch raachen: Das Medium
nämlich könnte alle jene Kontrollen nicht erlauben, sei es in seinem eigenen
Namen oder in dem eines „Geistes*'. Was sollen wir tun in diesem betrübenden
Falle?
Das ist nun gerade der Punkt, über den ich hier zur Methodik der T a t -
s a c h e n erforschung einiges sagen möchte: Man versuche, das Medium oder
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