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Driesch: Die Methoden der parapsychologischen Theorienbildung.

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den „Geist" zu erziehen, man suche es durch Suggestion dahin zu bringen, daß
es allen unseren Anordnungen beistimmt und nicht darauf besteht, seinen
eigenen zu folgen. Das scheint mir die Hauptsache zu sein, unter der Voraussetzung
natürlich, daß eine solche suggestive Erziehung möglich ist. Aber warum
sollte sie das nicht sein? Die Erziehung hätte natürlich auf den Wegen Coue's
zu geschehen, d. h. man hätte dem Medium die Ueberzeugung beizubringen, daß
alles unter unseren Versuchsbedingungen und nicht nur unter seinen sehr gut
gelingen werde.

Man sollte das auf jeden Fall versuchen. Gelingt es, so ist viel gewonnen;
gelingt es nicht, so ist nichts verloren als etwas Zeit. Und wir haben durchaus
keine Eile. Man könnte etwa in folgender Weise vorgehen: Das Medium ist in
Trance versetzt worden. Eine Person von bekannter suggestiver Kraft sagt ihm
dann: heute wird alles sehr gut gelingen unter sehr scharfer Kontrolle und bei
gutem roten Licht. Das wird wenigstens 20 mal wiederholt. Wir setzen nun
voraus, daß wir erfolgreich gewesen sind. Die Dinge gehen wirklich. Nun wohl,
dann experimentieren wir einige Wochen unter diesen neuen Bedingungen.
Aber dann kommt eine zweite Suggestion: Alles wird auch bei Tageslicht gelingen
, bei sehr hellem sogar. Auch das wird wenigstens 20 mal gesagt. Wieviel
wäre gewonnen, wenn alles nun wirklich gelingen würde!

Auf alle Fälle, meine ich, sollte man meine Vorschläge einmal ausprobieren.
Die Zweifler würden dann rasch verschwinden, denn niemand möchte wohl
zum Narren werden; und ich bin so gut wie überzeugt, daß der erste Teil meiner
dem Medium zu gebenden Suggestionen, daß nämlich alles bei gutem roten
Licht gelingen werde, erfolgreich sein wird. 'Eine große Zahl von Leuchtnadeln
, und zwar nicht nur an Atmen und Beinen, sondern auch Händen und
und Füßen, muß natürlich stets benutzt werden.

Alles dies bezieht sich auf die physischen Erscheinungen. Die Methodologie
der mentalen Erscheinungen ist z. B. von Frau Henry Sidgwick so vorzüglich
ausgearbeitet worden, daß es nicht nötig ist, darüber hier zu sprechen. •—

Jetzt aber kommen wir zu unserem Hauptgegenstand: der Methodologie in
Fragen der parapsychologischen Theorie.

Hier ist unser erster Satz dieser: Halte nichts in aphoristischer
Weise für unmöglich.

Dieser Satz ist eigentlich so selbstverständlich, daß ich mich fast scheue, ihn
auszusprechen. Und doch muß es geschehen. Denn es gibt gewisse seltsame Leute,
welche glauben, daß sie dabei gewesen seien, als Gott die Welt schuf, und daher
mit Sicherheit wissen, was zu tun ihm möglich war und was nicht. Der Aprioris-
mus ist wohl berechtigt in der reinen Logik, z. B. in der Theorie des Syllogismus,
und in der reinen Mathematik. Ihn in die empirischen Wissenschaften hineinzutragen
ist aber ein großer Fehler; und die Parapsychologie ist eine empirische
Wissenschaft. Selbstverständlich ist es unsere Pflicht, stets auf wohlbekannten
Bahnen zu wandeln, solange es möglich ist; wir dürfen nicht wie die
Scholastiker sagen, neue e n t i a ohne absolute Notwendigkeit (praeter neeessita-
tem) einführen. Das würde phantastisch sein. Aber wir dürfen nie vergessen,
daß auch gelegentlich einmal die Notwendigkeit sie einzuführen bestehen möchte.
Apriorismus im Gebiete empirischer Wissenschaft ist in der Tat nichts als das
Zeichen geistiger Kurzsichtigkeit und menschlicher Beharrlichkeit — um höflich
zu sein, und nicht zu sagen „Faulheit".


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