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Schneider: Entelechie und Gestalt.

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liehe Triebfeder des Lebens, der körperlichen Entwicklung und der Handlung,
und findet im Plasma leblose Materie gegeben, die in den Organismen einer*
formalen Führung unterstehen soll. Auch für die parapsychischen Erscheinungen
gilt ihm die Entelechie von Bedeutung, ja er findet in den Phänomenen
direkt Beweise seiner Entelechie. So steht er in schroffem Gegensatz zu allen
Betonern des Stoffes, in der Parapsychologie vor allem zu jenen Forschern,
die wie Baerwald die Phänomene reduzieren auf Hyperästhesie und Telepathie,
und beiden nur Stofferlebnisse und Stoffauswirkungen (Gehirnstrahlung z. B.)
zugrunde legen. Ich selbst als Parapsychologe stehe auf einem dritten Standpunkt
, der Form und Stoff in gleicher Weise würdigt, lieber diesen Standpunkt
möchte ich Ihnen heute vortragen, und es soll das geschehen, indem ich
die Begriffe der Entelechie und Gestalt einer genauen Prüfung unterziehe.

Dabei haben wir von der Entelechie auszugehen. Sie wissen, daß
Aristoteles im Begriff der Entelechie eine Erklärung des individuellen Werdens,
der Ontogenese, der Entstehung organischer Körper zu geben versuchte. Er
glaubte den Keim begabt mit einer Formanlage, die Wachstum und Gestaltung)
des Körpers bestimmen sollte; Entelechie heißt, das Werdeziel in sich tragen,
dies Ziel aber fand Aristoteles in der fertigen Gestalt und Entwicklung war
ihm Realisation der Gestaltsanlage am wachsenden Stoffe. Hier scheint die
Gestalt als selbständiges Prinzip hinreichend gewürdigt, und doch ist das nicht
der Fall, denn Aristoteles nennt den wachsenden Stoff des Keimes direkt
selbst formbegabt, macht demgemäß die Form zu einem im Stoffe gegebenen
Formtrieb, und so entsteht eigentlich die Form als etwas Neues bei der
Entwicklung. Ganz besonders klar kommt diese Auffassung zur Geltung bei
der in aristotelischen Bahnen wandernden Scholastik, die direkt von einer
forma substantialis redet, von einer dem lebenden Stoffe immanenten
Form, und die sich zugleich selbst als epigenetische Entwicklungslehre charakterisierte
, nämlich sagte, daß die Form bei der Entwicklung erst gebildet wird,
nicht, wie die platonische Evolutioiislehre immer vertrat, als besonderes immaterielles
Gebilde der Entwicklung voraus existiert, und bei der Ontogenese
nur mit Materie erfüllt wird. Ein moderner Scholastiker, Tilmann Pesch, sagt
direkt (in: Die großen Welträtsel, Band i, S. 642): Die Form, an und für sich
betrachtet, entsteht aus nichts. Das aber ist Unterschätzung der Form. Ihr
steht nun T>ei Driesch, cler den Entelechiebegriff wieder in die moderne Biologie
eingeführt hat, eine Ueberschätzung der Form gegenüber. Driesch legt
das größte Gewicht auf die Entelechie, aber er bestimmt sie von der Entelechie
des Aristoteles und der Scholastik fundamental verschieden, beurteilt sie nämlich
als reine geistige Form,\die an sich dem Stoffe völlig fernsteht,
die nur sekundär zum Stoffe, bei der Geburt des Lebewesens, hinzutritt, und
sich beim Tode wieder von ihm scheidet. Ich bemerke, daß Driesch sich wegen
solcher Betonung der Form als stoffreien immateriellen Gebildes zum Spiritismus
bekannte, diesen wenigstens eine durchaus zulässige Hypothese nennt. Sein
Vitalismus erweist sich als reiner Piatonismus: Materie ist nur etwas durch die
Form Bestimmbares, nicht bereits an sich etwas Formbestimmtes, Formbegabtes.
Demgemäß ist es ganz falsch, Driesch wegen Anwendung des Wortes Entelechie
als Aristoteliker zu bezeichnen, vergleicht er doch selbst seine Entelechie mit
der platonischen Idee.

In klar durchdachten Versuchen hat Driesch die Selbständigkeit der Form
neben der Keimmaterie zu erweisen vermocht und kann deshalb als Begründer


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