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Schneider: Entelechie und Gestalt

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auch an die Musik der Primitiven, die durchaus die Rhythmik betont, nicht die
Harmonie, sowie an ihre Dichtung, die epischer Natur ist, nicht Stimmungsmalerei
. In Hinsicht auf das künstlerische Schauen ist besonders auch zu beachten
, daß alles Geschehen doch nur in Formen ausdrückbar ist, nicht in
Farben. Wenn der Künstler den Sprung eines Pferdes darstellt, so nützen ihm
Farben dabei gar nichts, sondern er zeichnet eine charakteristische Geste, die
mit wenigen Strichen einen komplizierten Vorgang eindrucksvoll vor uns hinstellt
. Ferner sei hingewiesen auf das halluzinatorische Erlebnis,
das ja für den Wilden die größte Bedeutung hat und direkt der künstlerischen
Anschauung sich vergleichen läßt, das überhaupt der Ausgang aller Vorstellungen
ist und nun Erscheinungen schafft, deren ungeheure EindringUchkeit ganz im
Gestaltlichen liegt; man redet hier direkt von geistigen Gestalten, von Ver-
geistigung der Welt. Diese wird vor allem in den Symbolen offenbar. Symbole
sind allgemeine Geistgestalten, in denen ein ungeheurer Inhalt erlebt wird,
sind Prototype der Erscheinungen von oft erstaunlicher Kapazität. Denken Sie
an die Totemgestalten der Wilden, an die Zauberstäbe der Medizinmänner, an
die Fetische usw.: Was die alles zu erzählen vermögen, ist oft gar nicht auszumessen
. Denken Sie schließlich auch an die Sprache, die Schriftzeichen und
die Zahlen, an deren so überaus umfassende Ursprungsbeziehungen, so haben Sie
alles in allem ein ungemein vielseitiges Gestaltserlebnis vor Augen, dessen Wert
eben gerade in der Gestaltung liegt und in gar nichts anderem. Das Erfahrungsbewußtsein
der Primitiven ist ein Gestaltungsbewußtsein! In den Gestalten aber,
die das Bewußtsein eindringlich vor sich hinstellt, schaut es die Entelechie an,
die dem Subjekt zugrunde liegt.

Von der Gestalt ist aber noch mehr auszusagen. Ich habe früher einmal
darauf aufmerksam gemacht, daß Gestalt etwas Vierdimensionales ist.
Gestalt nota bene, die um ihrer selbst willen erlebt wird, Nichts als Gestalt,
Gestalt an sich, echt geistige Gestalt! Gestalt, die das Werden und Vergehen der
Objekte sowie ihre dynamischen Auswirkungen übergreift, Schicksalsgestalt,
wie wir wohl am besten sagen können. In solcher Vierdimensionalität entspricht
sie durchaus der Entelechie, die ja auch Gestalt ist für Werden und Vergehen
der Körper, nur eben am Subjekt sich manifestiert, nicht an den Objekten
, sie ist, wie ich bereits sagte, nichts anderes als ins Bewußtsein gehobene
Entelechie, eingelegt in die Objekte um des anschauenden Erlebnisses willen.
Weil sie gleich Entelechie ist, ist sie aber auch Sinngestalt, zeugt von einer Absicht
. Im teleologischen Gehalt aber erfassen wir ihre Vierdimensionalität. Auf
diesen Begriff muß ich' ein wenig genauer eingehen. Wie hat man doch jden
Begriff der Vierdimensionalität bis jetzt mißhandelt! Man hat als vierte Dimension
die Zeit gedeutet, obgleich die Alten bereits, vor allem Plato, in ihr das
Individuationsprinzip, das Medium der Erscheinungen erkannten. Man hat
von vierdimensionalen Körpern geredet, in denen alle zeitlichen Zustände eines
Körpers dimensional erstarrt zugleich gegeben sein sollten, obgleich das eine
ganz unmögliche Vorstellung ist, denn wir können wohl Psychisches über die
Zeit ausdehnen, nicht aber über die Zeit verteiltes Psychisches in einer Anschauung
zusammenfassen. An dieser Idee einer dimensionalen Zeit kranken
Okkultismus und Physik in gleicher Weise. Weder die Okkultisten noch die
Physiker wurden sich klar darüber, daß man eine vierte Dimension
nur nach Art der drei anderen Dimensionen, des Gravitationsfeldes
, beurteilen kann, nämlich auch als ein Wir-


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