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Schneider: Entelechie und Gestalt. 495
und eine andere Definition ist auch ganz unmöglich. Natürlich muß man da
wissen, was Gestalt ist, muß ihre teleologische Struktur begreifen, ihre Viesr-
dimensionalität, ihre nicht in der Zeit, sondern im Finalfeld der Handlungen,
sich begründende Ueberräumlichkeit. Darum kann ich es den naturalistischen
Gegnern des Okkultismus nicht übelnehmen, wenn sie über die Bestrebungen
der modernen Parapsychologie nur lachen, denn zu einem Beweise der Phänomene
fehlt vollständig das gedankliche Rüstzeug. Man sammelt nichts als Erfahrungen
, aber das Erfahrungshäufen nützt gar nichts wenn die Erfahrungen
nicht gewertet werden können. So sind es auch Erfahrungen, wenn der Wilde
einen Weg als eine Schlange und eine Wolke als den Tabakrauch laus der Pfeife
des Weltgottes erlebt, aber diese Erfahrungen lehnt auch der Parapsychologe
als Ausdruck der Wirklichkeit ab, aber warum, mit welchem Rechte! Diese
Erfahrungen sind so wichtig wie alle anderen, denn sie entstehen wie alle anderen
durch Einlegung des inneren Formgehaltes in die Objekte, durch ein mythologisches
Schauen, das so richtig ist wie jede sinnliche Wahrnehmung, nur
eben richtig in Hinsicht auf ein vierdimensionales Bewußtsein, nicht aber in
Hinsicht auf ein dreidimensionales. Was das alles heißt, will ich hier gar
nicht berühren, aber wer von der Gestalt nichts weiß, wird hier im Dunklen
tappen und die Parapsyche verleugnen, damit aber selbst zum Antiparapsyeho-
logen. Nur wenn wir die teleologische Bedeutung der Aussage des Wilden
begreifen, sind wir echte Parapsychologen und können uns gegen alle materialistischen
und idealistischen Angriffe verteidigen, sowie überhaupt neue Ziele
unsrer Forschung aufstellen.
Zum Schlüsse möchte ich mir noch einen Hinweis auf den Spiritismus
gestatten. Nichts ist für mich gewisser als daß es Spirits, daß es Geister, daß
es ein Fortleben nach dem Tode gibt. Aber nicht weil ich oder andere
derartiges erlebt haben, sondern weil ich es mir beweisen kann! Denn das
v ierdimensi onale Erlebnis ist nur möglich für ein spirituelles
Wesen, in dem körperlich die Gestalt dominiert
über den Stoff. Das dreidimensionale Erlebnis ist nur möglich für ein
motorisches Wesen, denn, wie schon die Alten sehr richtig erkannten: man
erlebt nur das, was man selber ist — Gleiches nur erlebt das Gleiche! —, in
diesem Falle eine dynamische Umwelt, weil man selbst ein dynamisches
Wesen ist. Und so erlebt man eine gestaltliche Umwelt, weil man selbst
Gestalt ist, erlebt Geist als Geist. Nichts kann selbstverständlicher sein für
den, der Entelechie und Gestalt in ihrer vollen Bedeutung zu würdigen vermag
. So folgt für mich die Fortexistenz nach dem Tode ganz von selbst aus
meinem parapsychischen Grundbegriff. Und noch viel mehr folgt aus diesem
Begriffe. Z. B. die Einsicht, daß es eine Seelenwanderung, eine Wiedergeburt
geben muß, denn die Gestalt ist ja an sich eine allgemeine, die nur
im teleologischen neben- und Nacheinander der Erscheinungen, zu denen ich
doch auch gehöre, ganz zur Entfaltung kommt. Und weiter folgt die Möglichkeit
eines Bewußtseins das diesen Zusammenhang überschaut. Diese Einsicht
hatten ja schon die alten Inder, deren Karmalehre besagt, daß das momentane
Leben bestimmt ist durch früheres und wieder späteres bestimmt. Was
sonst noch folgt, will ich hier gar nicht streifen, ich betone hier nur nochmals,
daß nur auf Gestalterkenntnis eine echte Parapsychologie begründet werden
kann.
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