http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0515
Seelwig: Zum Fall Höpfner.
499
Rummelplatzhypnotiseur laufe, erwarte auch keine wissenschaftlich
exakten Leistungen. Was die Frage der Echtheit der Autohypnose betrifft, so
sei heute natürlich nicht mehr festzustellen, ob sie echt gewesen ist oder nicht.
Aber nach den in den Vorversuchen gemachten Beobachtungen liege für den
psychologischen Sachverstandigen kein Grand vor, an der Echtheit der
Autohypnose am „allerletzten" Vortragsabende zu zweifeln. Was von allgemeinem
Interesse ist, liegt ganz gewiß nicht in der Person Höpfners. Von
allen Seiten wurde ihm geraten, das „Zigeunerleben" aufzugeben und
die Hände von den sogenannten Geheimwissenschaften zu lassen, die sich nun
einmal mit dem Artistenberuf ehrlicherweise nicht verquicken lassen.
Beachtenswert scheinen dagegen folgende Punkte.
1. Die geringen psychologischen Kenntnisse vieler Richter und
wohl fast aller Schöffen machen Prozesse mit parapsychologischer Materie noch
wesentlich schwieriger, als sie an sich schon sind.
2. Die Unklarheit der Terminologie auch bei den verschiedenen
Sachverständigen beschwört eine unangenehme Problematik des Prozesses notgedrungen
herauf. Trance, Dämmerzustand und Autohypnose gehen (nicht
nur in Laienköpfen) bunt durcheinander, und der Begriff der Hypnose wird
fast willkürlich ausgelegt. Handelt es sich um die Behauptung des Angeklagten
, daß er in echter Hypnose war, so stellen sich Gericht und manche
Sachverständige auf den Standpunkt, daß zur echten Hypnose unbedingt
Amnesie und restlose Aufhebung des Wach-Ichs gehören. Ist dagegen jemand
aus S 176 Ziffer 2 angeklagt, dann soll echte Hypnose bereits vorliegen, wenn
bei erhaltener Erinnerungsmöglichkeit und völlig unveränderter Bewußtseinslage
nur die Sphäre der willkürlichen Bewegungen eingeengt ist! Bei
dieser Sachlage ist es kein Wunder, wenn sich die Staatsanwälte ganz bestimmte
Sachverständige heranzuholen pflegen.
3. Die Veranstaltung von Autohypnosen, die in Preußen seit 1920 verboten
ist (Der Minister des Innern II eSS^. M. f. V. M II 23i4), sollte auch in
allen übrigen Ländern Deutschlands verboten und gegebenenfalls durch die
Polizeiorgane verhindert werden.
4. Die Gerichte umgehen nicht selten die Frage, ob jemand im Zustande
der Autohypnose mit Amnesie strafrechtlich verantwortlich gemacht
werden kann. Und doch hat schon Heberle 1893 diesen Punkt erörtert
. Auch Ivers nimmt in seinem vor kurzem erschienenen Buche erneut
zu der erwähnten Frage Stellung. Wenn nämlich angenommen wird, daß die
Hypnose identisch ist mit einer AuslöschungdesWachbewußtseins,
dann ist eine strafrechtliche Zurechnung für diesen Abschnitt veränderten Bewußtseins
nicht möglich. Schon in den Anklageschriften wird daher häufig
behauptet, daß aller Wahrscheinlichkeit nach der „Trance" nur vorgetäuscht
war. Auch in der Anklageschrift gegen Frau Günther-Gef-
fers in Königsberg i. Ostpr. wird betont, daß so viele willkürlich herbeigeführte
Trancezustände die Gesundheit längst ruiniert haben müßten.
5. Als Sachverständige sollten Psychiater und Psychologen gemeinsam
herangezogen werden, auch schon für die unerläßlich erscheinenden V o r g u t -
achten. Im Falle der Frau Güniher-Geffers stammt das umfangreiche Vorgutachten
für die Staatsanwaltschaft von einem als Gegner der Parapsychologie
bekannten Juristen.
32*
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zs_para1927/0515