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Zeller: Der Hamburger Charakterologe und Heiteeher Reimpell.
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Graphologe in ganz ähnlicher Weise wie Raphael Schermann, über den Oskar
Fischer sein bekanntes Werk geschrieben hat. Er sieht aus der Handschrift das
ganze Wesen eines Menschen, weit mehr als es der gewöhnliche Graphologe
vermag.
Sodann stellen sich ihm Sichtgebilde, die ihm aus der Präexistenz der von
ihm beobachteten Menschen zu stammen scheinen, ein. Ich hatte Gelegenheit,
einen mich selbst nahe angehenden Fall solcher „Personalwandlungen", wie
er sie nennt, zu prüfen. Während ich bei anderen Medien gelegentlich die reinsten
Romane willkürlicher und zusammenhangsloser Rilder in solchen Fällen
beobachtete, waren es hier lebendige, anschauliche, absolut stilgemäße (etwa
nach dem Ende des Mittelalters hinweisende) Gebilde, deren in sich einheitlicher
Stilcharakter sofort die Zeit, der das betreffende Gebilde anzugehören
schien, erkennen ließ.
Dabei überzeugte ich mich, daß Herr Reimpell die betreff enden Stilperioden
keineswegs irgendwie genauer kannte. Er schilderte z. R. das Leben eines
Franziskanermönches mit einer Menge der Gotik angehörenden kulturgeschichtlichen
Einzelheiten, deren künstliche und bewußte Erfindung ein hohes Maß
kulturgeschichtlicher Relesenheit, die Herrn Reimpell durchaus nicht zu Gebote
steht, voraussetzen würde. Ich behaupte nun keineswegs, daß es sich hier wirklich
um ein Schauen der Präexistenz des Retreffenden handelt, aber der absolut
einheitliche Stilcharakter des Geschauten bleibt unter allen Umständen etwas
Merkwürdiges, falls man es nicht vorziehen würde, raffinierten Retrug anzunehmen
, womit übrigens auch nur ein kleiner Teil des Phänomens erklärt
würde.
Ich kenne Herrn Reimpell /on Vorträgen, die er zwei Semester lang am
Lehrerfortbildungsinstitut der Hamburger Universität hielt, als in hohem
Maße anregende, absolut wahrhaftige, selbstlos gütige Persönlichkeit, die
sich stets in aufopfernder Weise in den Dienst einer Sache, einer
Idee im weitesten Sinne, stellt. Er ist Medium und Forscher zugleich, wie
wir dies ja bei einer Reihe von Männern und Frauen, die in der Geschichte
des Okkultismus einen guten Klang besitzen, beobachten können, ich
erinnere nur an Stainton Moses, an Mrs. d'Esperance, auch heute an Bradley,
Conan Doyle und Rev. Tweedale, die alle mehr oder weniger beide Fähigkeiten
miteinander verbinden oder zu verbinden suchen. Daß er im engsten Zusammenhang
mit einer höheren Welt, in die er schauen zu können glaubt und aus
der ihm Hilfe und Trost zuteil wird, zu stehen glaubt, sei nur kurz angedeutet
. Er ist übrigens fast nur intellektuelles Medium. Immerhin lenkte er früher
auch die Magnetnadel ab, auch ist er z. B. imstande, aus seinen Fingern einen
kühlen oder warmen LufthaucÜ ausströmen zu lassen, wie ich mich selbst schon
überzeugte. Versuche mit Gedankenphotographie im Sinne von Darget und
Raraduc mißlangen bei ihm. Materialisationen und Apporte, wie sie jetzt in
Hamburg bei zwei mir bekannten Zirkeln vorkommen sollen, würden ihm
wohl ebenfalls nicht gelingen.
Ich hoffe Gelegenheit zu haben, noch eine Reihe Versuche verschiedener
Art mit Herrn Reimpell, den ich für einen unserer großen heutigen Hellseher
halte, anzustellen, und hoffe, daß auch andere Forscher systematisch mit ihm
weitere Versuche anstellen werden, wie es ja Professor Anschütz in vorbildlicher
Weise auf dem Gebiet der Farbton-Forschung bereits mit ihm getan hat.
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