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Zeitschrift für Parapsychologie. 8. Heft. (August 1927.)
Kritische Bemerkungen zu Richard Baerwalds Okkultismus
und Spiritismus und ihre weltanschaulichen Folgerungen.
Von Univ.-Professor 0. K raus (Prag).
(Berlin 1926 Deutsche Buchgemeinschatt.)
Der Verfasser ist in weiten Kreisen bekannt als Mitarbeiter an dem von
Dessoir herausgegebenen großen Werke „Der Okkultismus in Urkunden"
und als Herausgeber der Zeitschrift für kritischen Okkultismus. Er ist ein
vorzüglicher Kenner des Gebietes. B. untersucht und bespricht in dem vorliegenden
Werke nicht nur die sogenannten intellektuellen Phänomene, die
er im genannten Werk bearbeitet hat, sondern auch den sogenannten physikalischen
Mediumismus.
Leider ist der geschätzte Verfasser bei diesen Untersuchungen nicht — wie
zu hoffen war — vorurteilslos vorgegangen. Die Grundbedingung jeder vor-
aussetzungislosen Forschung ist, daß man sich vorsetzt, sich von nichts anderem
leiten zu lassen als von den Tatsachen und der Evidenz. Wir nennen eine .Forschung
nicht mehr „voraussetzungslos", wenn sie sich von vornherein
auf die Dogmen irgendeiner Weltanschauung festlegt. Baerwald aber geht von
dem Dogma aus, die Weltanschauung müsse eine „naturwissenschaftliche''
sein, das heißt aber nach ihm nur negativ: sie dürfe unter keinen Umstanden
eine geistige, nulldimensionale Seele und noch weniger eine transzendente,
rein geistige erste Weltursache annehmen, und müsse „monistisch** sein.
Andere als diese Hypothesen scheiden für Baerwald von vornherein aus und
alles, was mit der Leugnung von Gott und Unsterblichkeit sich nicht verträgt,
muß daher selbst geleugnet werden.
Die Verwerfung dieser beiden Hypothesen ist aber keineswegs naturwissenschaftlich
gefordert, und gerade die bedeutendsten Naturforscher älterer
und neuerer Zeit haben sich zu ihnen bekannt.
Nach Baerwald ist die naturwissenschaftlich allein zulässige Weltanschauung
der Pantheismus, besonders der spinozistische. (S. 34q.) Auf S. 35o findet sich
freilich eine Stelle, die selbst mit der Leibxuzschen Auffassung in Fühlung
zu treten für möglich' hält. Aber Spinoza und Leibniz sind unversöhnliche
Gegensätze. Für Spinoza gibt es weder eine einsichtige Leitung des Weltgeschehens
noch eine individuelle Unsterblichkeit; Leibniz aber hält beides
^für die gesichertesten Wahrheiten der Philosophie. Das aber ist nach Baerwald
„faule Vernunft", die in den „metaphysischen Sumpf" (aöi) führt.
Die eigentliche Ueberzeugung Baerwalds geht aus S. 190 und ähnlichen Stellen
hervor, wo er den psychophysischen Parallelismus (Denken und körperlicher
Prozeß zwei Seiten desselben Vorganges) verteidigt, ohne zu berücksichtigen,
daß in den letzten Jahrzehnten, etwa seit Stumpfs Leib-Seele-Vortrag auf
dem 3. Intern. Psychologenkongreß in München 1896 der psychophysische JPa-
rallelismus mehr und mehr abgewirtschaftet hat.
Kein einziges der Argumente, die wider den Parallelismus von hervorragendsten
Forschern erhoben worden sind, wird von Baerwald berücksichtigt
. Dagegen versucht er, nicht ohne unrichtige Wiedergabe, der Wechselwirkungslehre
, diese lächerlich zu machen.
Wer die Wechselwirkungsl ehre vertritt, verteilt die Rollen zwischen Seele
und Gehirn nicht wie Baerwald es darstellt, so, daß er jener die Rolle des Klavierspielers
, diesem die Rolle des Klaviers zuteilt (S. 190), sondern läßt ebenso
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