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Zeitschrift für Parapsychologie. 8. Heft. (August 1927.)

vollbringen. Es ist gewiß ein Naturgesetz, daß kein kreatürliches seelisches
Leben möglich ist ohne derartige dimensional-physische Vorbedingungen. Aber
so gut als die Seele hier den erforderlichen Apparat vorgefunden hat, als die
Stunde ihres Lebens schlug, so gut kann anderwärts — in andersgearteten
Welten höherer Mannigfaltigkeit — vielleicht in „Topoiden" höherer Ordnung
das Instrument der Denktätigkeit sich gestalten. Nicht eine
persönliche Unsterblichkeit, wenn unter „Person" der Mensch oder das
Lebewesen in seiner irdischen Ausgestaltung verstanden wird, sondern bloß eine
individuelle Unzerstörbarkeit und ein Wiedererwachen seelischer Funktionen
kann auf Grund der theistischen Weltanschauung erwartet werden. Daß
die planetarisch gewonnenen Dispositionen, Fertigkeiten, insbesondere die geistiger
Art sich weiter wirksam erweisen werden, ist so gewiß anzunehmen, als
sie ihre Spuren in der seelischen Substanz zurückgelassen haben. In diesem
höheren Sinne ist die Lehre von der Seelenwanderung keine bloße mythischmystische
Phantasie, vielmehr hat gerade die exakte Wissenschaft — xar
§ox£v — die Mathematik und die mathematische Phantasie den Begriff mehrdimensionaler
Welten zu schaffen vermocht, die nicht nur widerspruchsfrei
erdacht und gedacht werden können, sondern auch die metaphysische Phantasie
anzuregen geeignet sind.

Dieser Gedanke, den zum ersten Male Franz Brentano in einer Anmerkung
zu den „Vier Phasen der Philosophie" (Bd. x95 der philos. Bibliothek
Meiners S. i53) ausgesprochen hat, knüpft gerade an jenen Denker an, den
Baerwald vor anderen bevorzugt, an Spinoza und dessen Lehre von den
unendlich vielen Attributen der Gottheit. — Mögen von diesen nur zwei in
unsere Erfahrung fallen, die cogitatio und die extensio, so sind doch durch
diese zwei die Möglichkeiten nicht erschöpft, die bei Spinoza als Attribute
der Gottheit, nach Brentano als dessen Schöpfungen, zu gelten haben.
Ins indefinit Unendliche kann sich das Topische und das Topoide, das Raumliche
und das Ueberraumliche erstrecken und vervielfältigen. Seine Zweckbestimmung
ist, immer zahlreichere und immer höhere Bewußtseinsformen zu
beherbergen und einem Gesetze wahrhaft schöpferischer Entwicklung zum Be-
tatigungsfelde zu dienen. Nur so aufgefaßt gewinnt das Entwicklungsgesetz und
das Leiben überhaupt einen Sinn. Gerade dieser an Spinoza anknüpfende Ge-
dqake macht zugleich die spiritistische Hypothese nicht nur überflüssig, sondern
höchst unwahrscheinlich. Das Weiterleben, das seelische Wiedererwachen vollzieht
sich in völlig transzendenten Sphären, in einem Lande, aus dessen Bereich
kein Wanderer wiederkehrt. In der Ablehnung des Spiritismus bin ich mit
Dr. Baerwald durchaus einig. Die Telepathie freilich, die er nicht nur als
Universalerklärungsmittel, sondern auch als apriorische Grenze des parapsychisch
Zulässigen verwendet, scheint mir ihrerseits nicht nur selbst der Erklärung, sondern
auch der Ergänzung durch andere Hypothesen bedürftig. Schlechthin unzulässig
ist jedoch die Argumentation, die Baerwald (S. 228) gegen die Prophetie
vorbringt: „Gäbe es eine vorausahnende Sehergabe, so wäre sie mit unserem
naturwissenschaftlichen Weltbilde nicht vereinbar und würde uns an eine übersinnliche
Realität verweisen."

Das ist Vorurteil in Reinkultur. Das Weltbild ist nach den Tatsachen zu
gestalten, nicht aber die Tatsachen nach dem Weltbilde zuzulassen oder abzuweisen
.


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