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Kleine Mitteilungen.
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Es ist aber auch durchaus unrichtig, daß „eine übersinnliche Realität" mit
der Naturwissenschaft unvereinbar ist. Die bedeutendsten Naturforscher — ich
wiederhole es — gerade jene, denen die Wissenschaft am meisten zu danken
hat, waren Theisten. Die theistische Hypothese widerspricht der Naturforschung
in keiner Weise. Der Theismus, wie er von uns vertreten wird, stimmt auch
mit Spinoza völlig überein in der Anerkennung des Gesetzes universeller
Notwendigkeit. Wodurch er sich vom Spinozi&mus unterscheidet,
ist die Lehre von der schöpferischen Transzendenz, Nulldimensionalität und seelischen
Vollkommenheit des „durch sich notwendigen Wesens/4
Dieses nennen wir Gott; er ist die schöpferische vollkommene Ursache. Das
vollkommenste Wesen aber ist Gott und die von ihm hervorgebrachte Schöpfung
zusammengenommen. Denn eben wegen des Vorzugs, der in dieser Summierung
liegt, ist die Welt geschaffen und wird sie in ewigem Prozesse fortdauernd
erhalten und schöpferisch erweitert. — Angelus Silesius hat darin
recht, daß die Welt ohne Gott ebensowenig sein kann als Gott ohne die Welt.
Gibt oder gab es Propheten — ich will es dahingestellt lassen — so haben
sie nicht, wie Baerwald schreibt, teil an der göttlichen Allwissenheit
Nein! vielmehr sind sie lediglich ein Beweis mehr für das Vorhandensein einer
solchen. Denn eben jenes erste alles erkennende Prinzip, das auch jenes zukünftige
Geschehen determiniert, von dem der Prophet Runde gibt, konnte
allein auch das Gehirn des Propheten so determinieren und präformieren, daß
es zur gegebenen Zeit in einer prophetischen Weise funktioniert. Es gibt keine
zeitliche Fernwirkung. Aber nichts in der Welt verbietet, daß eine „p r ä -
stabilierte Harmonie* zwischen einem gegenwärtigen Hirn-
zustande (und Bewußtseinszustande) einerseits und einem künftigen
Ereignisse andererseits besteht, eine Harmonie, die letzten Endes eben auf
den gemeinsamen Urheber dieser Geschehnisse als wahrscheinlichsten Erklärungsgrund
zurückweist. Eine einmal zweifellos festgestellte Prophetie — d. i. eine
auf logischem Wege nicht zu rechtfertigende, aber trotzdem zutreffende Kundgabe
künftiger Ereignisse — wäre eih Ereignis, das die ohnehin genügend gesicherte
Gotteshypothese um ein neues höchst auffallendes Indiz bereichern
würde.l)
Kleine Mitteilungen.
Abschiedsvorlesung von Prof. Bleuler. Die Universität hatte es sich nicht
nehmen lassen, die letzte klinische Vorlesung, die Prof. Bleuler als Ordinarius der
Psychiatrie am Mittwoch, den 20. Juli, hielt, m einen festlichen Rahmen zu kleiden.
Der Jubilar, auf dessen 70. Geburtstag* wir im vergangenen April hinwiesen, hat
auf den Herbst dieses Jahres' seinen Rücktritt erklärt. Die Feier fand, seinem
Wunsche entsprechend, in einfachstem Rahmen statt. In dem lorbeergeschmückten
Vorlesungssaal der Anstalt Burghölzli versammelten sich nahezu vollzählig die
Professoren und Dozenten der medizinischen Fakultät und gegen 200 Studierende
der klinischen Semester. Rektor Professor Dr. G a u c h a t sprach als erster Redner
den tiefgefühlten Dank der ganzen Universität dafür aus, daß der Gefeierte sein
verantwortungsschweres Amt als Direktor der großen Klinik und Anstalt, als
Forscher und Lehrer während 49 Semestern in glänzendster Weise ausgefüllt und
das Ansehen unserer Hochschule in der ganzen wissenschaftlichen Welt vermehrt
habe. Er erinnerte auch an die Verdienste, die Bleuler sich als Dekan und noch vor
kurzem als Rektor um die gemeinsame Sache der Alma mater erworben. Prof.
i) vgl. Franz Brentano „Ueber Prophetie". Im Jahrbuch für Charakterologie
1926 aus dem Nachlasse veröffentlicht.
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