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Buchbesprechungen.

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Bruno Grabinski. Wunder, Stigmatisation und Besessenheit in
der Gegenwart, Eine kritische Untersuchung. Mit 55 photographischen
Original-Aufnahmen. Druck und Verlag von Franz Borgmeyer, Hildesheim,
1923. 343 Seiten.

Der Verfasser dieses Buchs, der, von kleineren Schriften abgesehen, vor allem
zwei wertvolle okkultistische Werke, „Neuere Mystik. Eine Darstellung und Untersuchung
der übersinnlichen Phänomene*', 2. Aufl. 1924, und „Spuk- und Geistererscheinungen
oder was sonst?", 2. Aufl. 1922 (beide bei Borgmeyer, Hildesheim),
geschrieben hat, behandelt hier, nachdem er in seinen beiden vorhergehenden
Werken, besonders dem letzteren, vielfach die unheimlichen Seiten des okkulten
Gebietes geschildert hatte, gewissermaßen die Wirkungen einer höheren Welt,
wie sie speziell katholischem Denken von jeher sich darstellten. Es ist dasselbe
Gebiet, das Joseph Görres in den zwei ersten Bänden seines Werkes „Die christliche
Mystik" behandelt hatte, das Reich okkulter Wirkungen einer Lichtwelt,
wie sie sich in dem mystischen Schauen und Wirken der Heiligen und Frommen
der katholischen Kirche äußert. Dabei legt der Verfasser den Hauptnachdruck auf
sorgfältige Bezeugung der einzelnen wunderbaren Tatsachen durch Augenzeugen,
speziell durch Aerzte, die besonders bei der Darstellung der „Wunder von Lourdes"
(S. 44—-102) zum Worte kommen. Einzelne Fälle schwerer Erkrankung werden
etwa von dem behandelnden Hausarzt geschildert, Aeußerungen der Aerzte in
Lourdes selbst werden beigefügt.

Abbildungen stellen die wunderbar Geheilten, in einem einzelnen Fall, dem
von Henriette Hanton, S. 65, auch die verschiedenen Stadien vor und nach der
Heilung dar. Der Verfasser sieht als gläubiger Katholik, ähnlich wie dies bezüglich
der Heilungen in Lourdes G. F. Daumer in seinem Werk „Das Wunder" 1874 getan
hatte, in jeder der durch das Wasser der Wunderquelle oder durch Teilnahme
an der Prozession hervorgerufenen Heilungen eine Wirkung der Jungfrau Maria
und ähnlicher Heiliger. Die Erklärung durch Autosuggestion lehnt er in eingehenden
Auseinandersetzungen mit Dr. Aigner S. 63 ff. u. 91 ff. aufs entschiedenste ab.

Frederk Myers und sein Bruder Dr. med Myers hatten im 9. Band der
Proceedings of the Society for Psychical Research in einem Aufsatz „Mind-Cure,
Faith-Cure and the Miracles of Lourdes" *), ganz den Aignerschen Standpunkt
der Autosuggestion eingenommen (s. dort bes. S. 204—209), Leon Morillier hatte
im 7. Band auf Grund eigener Nachforschungen an Ort und Stelle „Erscheinungen
der Jungfrau in der Dordogne", die er als eine Art Epidemie von Halluzinationen
religiöser Art darstellt, geschildert. Anders ist die Auffassung von Rüssel Wallace
in seinem Werk, „Eine Verteidigung des modernen Spiritualismus, seiner Tatsachen
und seiner Lehren" (Mutze, Leipzig, 1875). Dieser sieht in den Erscheinungen objektive
spiritistische Phantome, die durch eine Art frommen Betrugs der Geister,
die durch Wunder den Glauben steigern wollen, Zustandekommen. "Er schreibt dort
S. 80: „Die neueren Wunder der römisch-katholischen Kirche werden erklärliche
Tatsachen. Die Geister, deren Neigungen und Leidenschaften stark aufgeregt
sind zugunsten des Katholizismus, erzeugen jene Erscheinungen der Jungfrau Maria
und der Heiligen, welche, wie sie wissen, zu vermehrtem religiösen Eifer führen
werden. Die Erscheinung selbst kann eine objektive Realität sein; während es
dagegen nur eine Schlußfolgerung ist, daß sie die Jungfrau Maria sei — eine Schlußfolgerung
, welche jeder intelligente Spiritualist als im höchsten Grade unwahrscheinlich
verschmähen würde." Jede dieser drei Anschauungen, die man kurz als die
kirchlich-katholische, die animistische und die spiritistische bezeichnen könnte,
bietet große Dunkelheiten und Schwierigkeiten in sich, die, auch wenn man die
subjektive Ehrlichkeit der Berichterstatter zugibt, eine Entscheidung aufs äußerste
erschweren.

Dasselbe gilt auch von den weiteren Abschnitten des Buches: „Das Blut-
wunder des heiligen Januarius", „Das Dornenwunder von Andria", „Die Blutwunder
von Mirebeau und Aachen" und „Das Wunder von Limpias". Auch dem an vieles
Wunderbare gewöhnten Okkultisten wird es schwer, zu Berichten von blutenden

*) Das beste auf zahlreichen, kritisch angestellten Versuchen beruhende, auch
die gesamte Literatur anführende Werk über okkulte Heilweise aus neuester Zeit
scheint mir das 1926 erschienene Buch von Dr. Ed. Bertholet „Une Guerisseuse
Mystique moderne" (Lausanne, Held) zu sein.


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