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512 Zeitschrift für Parapsychologie. 8 Heft (August 1927.)
Jesusbildern, deren eine große Anzahl in dem Buch abgebildet sind, Stellung zu
nehmen. Immerhin könnte bei dem Blutwunder von Mirebeau und Aachen mediale
Wirkung des Geistlichen, des Abbe" Vachere de Grateloup, in dessen Umgebung
die Blutwunder stets vorkamen und nach dessen Tode sie verschwanden, angenommen
werden. Ihn zum Betrüger zu stempeln, geht, wenn irgend eingehende
Augenzeugenberichte Geltung beanspruchen können, nicht wohl an. Etwas Leichter
ist die Erklärung im Fall des Wunders in Limpias, einem nordspanischen Wallfahrtsort
, wo ausschließlich subjektive Erscheinungen, scheinbare Veränderungen
eines Kruzifixes, denen keinerlei materielle Realität zugrunde gelegt wird, berichtet
werden. Merkwürdig bleiben aber auch diese subjektiven Erlebnisse. Man
lese etwa den eingehenden Bericht eines Arztes, des Dr. D. Maximilian Orts, der
auf S. 216—218 mitgeteilt ist.
Die beiden folgenden Kapitel, „Stigmatisation" und „Die Besessenheit", gehen
über das bei einem du Prel und anderen okkultistischen Schriftstellern berichtete
nicht oder kaum hinaus. Teilweise werden Berichte, die auch schon in den „Psych.
Studien" erschienen waren, mitgeteilt. So bei der stigmatisierten Tertiarierin Maria
Beatrix Schuhmann aus Pfarrkirchen, siehe den gleichnamigen Aufsatz von Ludwig
, „Psych. Studien" 1915, 223, 286, sodann bei dem besessenen Knaben von Illfurt
(siehe hierzu Lippert, „Die medmmistischen Phänomene von Illfurt", „Psych. Stu-
1923, S. 241).
Durch das Werk Grabdnskis könnte möglicherweise die „christliche Mystik"
von Görres in eine neue Beleuchtung gerückt werden. Das hier berichtete würde
weniger fremdartig und unbegreiflich erscheinen, wenn es durch heutige Erscheinungen
ähnlicher Art wenigstens teilweise bestätigt würde. Alles hängt freilich
von der Glaubwürdigkeit der Berichte ab. Aber man kann Grabinski wohl das
Zeugnis ausstellen, daß er sich aufs höchste bemüht, zuverlässige Augenzeugen-
berichte beizubringen, ein Streben, das auch seine beiden zu Anfang erwähnten,
okkultistischen Werke charakterisiert, besonders dasjenige über Spukerscheinungen,
das auch neben den Werken von Bozzano, Kemmerich und Lambert seinen Wert
und seiine eigenartige Note behält. An kritischer Prüfung der einzelnen Fälle läßt
es der Verfasser nirgends fehlen. Einem Schrenck-Notzing gegenüber geht er in
diesem Bestreben kritischer Prüfung sogar entschieden zu weit (siehe „Spuk- und
Geistererscheinungen oder was sonst?", 2. Aufl., S. 38—40, wo Schrenck-Notzings
Materialisationsphänomene großenteils abgelehnt werden, während die ähnlichen
Forschungen Geleys anerkannt werden). Der konfessionell gebundene Standpunkt
des Verfassers wirkt gelegentlich störend, ebenso auch seine den medialen, genauer
den experimentell spiritistischen Erscheinungen gegenüber, vielfach hyperkritische
Einstellung, die auch noch eine Reihe ariderer katholisener Forscher, ich
nenne nur Anton Seitz, „Okkultismus, Wissenschaft und Religion" charakterisiert.
Aber als Tatsachenberichte sind seine drei genannten Werke wahre Fundgruben,
vor allem soweit es sich um mystische Erscheinungen aus dem Bereich des katholischen
seelischen Erlebens handelt. Hier füllt der Verfasser entschieden eine Lücke
$us, auch wenn man ihm nicht in allen seinen theoretischen Schlußfolgerungen
wird folgen können. Z e 11 e r.
L'Occultisme et la Science. Von Charles Laurelin. 8°, 665 Seiten. Paris, 1926, Jean
Meyer-Verlag.
Wir haben hier ein weitausholendes twid auf jeden Fall sehr interessantes
Werk vor uns. Der Verfasser vergleicht die beiden Wissenschaften, die alte und
die neue miteinander. Mit ungeheurer Emsigkeit und großem Scharfsinn weiß er
die Fäden aufzuspüren, die von der antiken Weisheit zu den modernsten Errungenschaften
unserer Zeit hinüberführen. Ein jeder, der nicht gerade Spezialforscher
auf diesem Gebiete ist, wird mit Ueberraschung und Staunen gewahr, welch ausgedehnte
und tiefe Kenntnisse und Erkenntnisse die ajte Welt besaß,' die vielfach
sogar über unser heutiges Wissen hinausgehen. Die Wege freilich, auf denen die
Alten zu ihren Einsichten gelangten, waren grundverschieden von denen, die der
moderne Forscher einschlägt. Das weiß der Verfasser anschaulich auszumalen.
Nicht die zeitgenössische Wissenschaft ist es, die der Verfasser tadelt, sondern nur
deren vielfach hervortretende Ueberhebung, ihren Unfehlbarkeitsdünkel und ihre
ungerechte Verachtung der Weisheit der Alten. Kein Okkultist wird die dem Studium
des Laurelinschen Werkes gewidmete Zeit bedauern.
Freudenberg, Elberfeld.
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