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Walter: Eine Auseinandersetzung mit der extrem kritischen Richtung. 535
Es muß zugestanden werden, daß ein einwandfreier negativer Befund,
beispielsweise die Feststellung \on Betrügereien, die gegenteiligen positiven
Aussagen vernichtet. Das ist logisch und eigentlich eine platte Selbstverständlichkeit
. Der Schwerpunkt liegt aber darin, ob dieses negative Urteil zu
Recht besteht, denn die negativen Behauptungen sind ja auch nicht gegen
den Zweifel gefeit, was Baerwald selbst zugibt.
Ich erinnere hier nur in aller Kürze an die Leidensgeschichte des Jlypno-
tismus, wobei von gelehrten Ignoranten z. T. sogar im Gerichtssaal und an/
den höchsten wissenschaftlichen Stätten der Magnetiseur zum bewußten Betrüger
, die sogenannten Medien zu Simulanten und die Erforscher zu
leichtgläubigen Toren gestempelt wurden.
Wir alle haben als Zweifler begonnen und den Zweifel setzen wir ja auch
heute noch an den Anfang eines jeden Experiments, was aus der Vorkehrung von
Sicherungen hervorgeht. Dieses zeitliche Vorangehen verleilet viele
dazu, dem Zweifel einen methodologischen Vorrang einzuräumen. Kritische
Besonnenheit ist wohl unerläßlich und eine stete Begleiterin der Forschung,
sie ist aber doch nur der Schleifslein des Werbzeugs und nicht das Werk-
zeug selbst.
Daß Mesmer vermeintlich den tierischen Magnetismus entdeckte, ist wertvoller
als daß die Pariser Akademie anfänglich glaubte, alles auf bloße Einbildung
zurückführen zu können und daß nachfolgende Geschlechter sein
Fluid anzweifeln.
Wenn sich Dr. Baerwald ausdrücklich dazu bekennt, sein Augenmerk
einseitig auf negative Momente zu richten und die positiven Momente zu ignorieren
, so ist dies, psychologisch betrachtet, die schönste Gelegenheit zu auto-
stiggestiven Hemmungen zu gelangen, die den Blick für die Erkennung des
wahren Sachverhalts verschleiern.
Was man {dem sogenannten „überzeugten Okkultisten" zum Vorwurf
macht, durch eine angespannte Erwartung Truggebilde heraufzubeschwören,
gilt in «gleicher Weise auch für die Negativgläubigen, die überall Betrug
wittern und auf negative Momente erpicht sind. Diese vorurteilsvolle Pinstellung
gehört zur Naturgeschichte des Entlarvers, für eine Psychologie dieses
Typus hat Studienrat Lambert bereits Bausteine zusammengetragen. Bei
empfänglichen Medien kann ein starrer negativer Glaube suggestiv sogar
den Betrug erzeugen. Das Richtige kann nur sein, sich mit wachen und
unbefangenen Sinnen dem Neuen offenzuhalten, wie es in vorbildlicher Weiset
Goethe tat, und wie es mit einiger Einschränkung auch für Schopenhauer gilt.
Dem Baerwaldschen Grundsatze, daß ein einziges Verdachtsmoment
genüge, um alle übrigen positiven Momente über den Haufen zu werfen, ist
schon oft widersprochen worden.
Die Palladino hat gelegentlich geschwindelt und doch ist nicht daran»
zu zweifeln, daß an ihr echte Erscheinungen studiert werden konnten. Die
Phantasie der Medien, die ein auslösender Reiz der Erscheinungen und trügerisch
wie jede andere Einbildungskraft ist, kann ab und zu Unechtes, d. h.
normal Bewirktes erzeugen, um so mehr, da die Grenzen fließende sind und
Liebergänge vom normalen zum okkulten Geschehen bestehen. Die sogenannten
sympathischen Mitbewegungen, die man bei allen Medien beobachten kannt
und die man anfänglich der Palladino als einen Beweis von Betrug zu Lasten
schrieb, sind beispielsweise solche rudimentäre Uebergänge. Ebenso falsch ist
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