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Tischner: Die Oehirnstrahlen Cazzamallis und ihre Bedeutung. 561
Klärung dieser Frage kann jedoch nur auf physikalischer Grundlage erfolgen,
ich muß sie infolgedessen den Technikern überlassen.
Weiter wirft mir Cazzamalli vor, wie andere hätte auch ich ihn mißverstanden
, wenn ich annähme, daß seiner Ansicht nach die parapsychischen
Phänomene lediglich die Wirkung von Radiowellen seien. Er habe siah wohl
gehütet, diese Ansicht auszusprechen. Richtig ist an dieser Bemerkung wohl,
daß er das in seiner ersten Arbeit nicht ausdrücklich gesagt hat, aber wie
andere habe auch ich geglaubt, daß diese Meinung hinter seinen Worten steht.
Eine Bestätigung dafür glaube ich bei dem vorliegenden Aufsatz in den Ausführungen
gegen D r i et s c h auf Seite (\ol\, dritter Absatz, sehen zu dürfen.
Cazzamalli will an dieser Stelle sagen, daß bei der Erscheinung eines
Lebenden, wenn z. B. ein ertrinkender Seemann seiner nichtsahnenden Mutter
erscheint, so daß sie das Bild ihres Sohnes in seinen triefenden Kleidern mit
halluzinatorischer Deutlichkeit sieht, diese eine ganz spezifische Nachricht
übermittelnde Halluzination durch minimale Schwingungen angeregt und von
dem Empfänger ausgestaltet und durch Elemente bereichert werde — wie
etwa durch die Vision des Gefährdeten in der nassen Kleidung — die nicht
in der Nachricht selbst vorhanden waren.
Er nimmt demnach hier in der Tat Gedankenstrahlen an, d. h. Strahlen,
die spezifische sinnvolle Nachrichten übermitteln können, denn es ist nicht
einzusehen, wieso diese „geringsten Schwingungen", falls sie unspezifisch
wären, imstande sein sollten, vom Gefährdeten zum Halluzinanten übergehend,
eine solche beziehungsvolle veridike Halluzination zu erzeugen; das wäre, da
ja kein verabredetes Zeichensystem vorliegt, nur möglich, wenn diese Strahlen
die zureichende Ursache einer bestimmten Nachricht, wie „ich ertrinke", wären.
Wenn ich Cazzamalli also recht verstehe, so nimmt er an dieser Stelle an, daß
Wellen die Vorstellungen übermitteln, was allerdings mit anderen Bemerkungen
von ihm in Widerspruch stehen würde. Es wird Cazzamalli ein leiebtes
sein, in einer späteren Arbeit dies ftjißverständni's oder die Unklarheit richtigzustellen
.
Um weiteren Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich betonen, daß
Cazzamallis Vermutung, ich sei auch Anhänger der Lange-Jamesschen Theorie,
nicht richtig ist. Ich referiere bei Erwähnung dieser Theorie im wesentlichen die
Ansichten von Sudre, denen ich mich allerdings, wie ich sagte, weitgehend anschloß
, ohne aber, da ich im Raum beschränkt war, im einzelnen meine eigene
Meinung auseinanderzusetzen.
Wenn ich nach diesem Eingehen auf Einzelpunkte nun zusammenfassend
meine Ansicht über die Gazzamallischen Untersuchungen darlege, so scheinen
sie, wenn ich von gewissen, oben erwähnten, noch ungeklärten physikalischen
Vorfragen absehe, zu zeigen, daß in der Tat bei gewissen psychischen Tätigkeiten
elektromagnetische Wellen vom menschlichen Organismus ausgehen, die
mittels der Kathodenröhre und Radioapparate nachgewiesen werden können. Die
zweite Arbeit klärt in dankenswerter Weise einige Punkte, die in der ersten unklar
geblieben waren, indem nicht allzu starke Bewegungen und Unterhaltung
keine entsprechenden Geräusche in den Apparaten erzeugen. Außerdem
scheint der zeitliche Zusammenhang der Halluzinationen mit den Geräuschen
und Ausschlägen des Galvanometers ein so enger und eindeutiger zu sein, daß
es in der Tat wahrscheinlich ist, daß diese Reaktionen der Apparate im Zusammenhange
mit gewissen psychischen Tätigkeiten stehen.
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