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Zeitschrift für Parapsychologie. 9. Heft. (September 1927.)
Es wäre jedoch voreilig, wie es in der Oeffentlichkeit vielfach geschehen
ist, nun zu sagen, damit seien die Wellen der Telepathie entdeckt. Der Materialist
und der monistische Parallelist werden gewiß gern darin eine Bestätigung
ihrer Ansichten sehen, für den Kritischen bestehen aber gegen diese
Meinung schwere Bedenken, und man wird erst mit vorsichtiger Analyse und
nach genauer Nachprüfung von anderer Seite zur Klarheit kommen können.
Bis jetzt scheinen die Versuche nur zu zeigen, daß bei Halluzinationen
von dem Organismus — wahrscheinlich vom Gehirn — elektromagnetische
Wellen ausgehen. Dagegen scheint mir bisher noch keineswegs festzustehen, ob
auch bei den parapsychischen Phänomenen als solchen die Apparate ansprechen
. Jedenfalls ist es beachtenswert, daß die von Cazzamalli in den beiden
Arbeiten etwas genauer geschilderten Versuche durchweg einen stark visionären
und halluzinativen Einschlag haben. Es fragt sich also, ob nicht vielleicht
überhaupt der halluzinative Charakter der psychischen Akte der Versuchspersonen
für das Ansprechen der Apparate verantwortlich zu machen und die
Halluzination die conditio sine qua non ist. Ausführliche Protokolle, aus denen
eindeutig das Unrichtige dieser Ansicht hervorgeht, sind mir nicht bekannt.
Man müßte zur Entscheidung der Frage also Versuche anstellen, in denen
die psychischen Akte ohne eine halluzinative Komponente ablaufen. Es würde
sich z. B. empfehlen, zu untersuchen, ob bei einfachen telepathischen Ueber-
tragungen (Zahlenüberlragung u. dgl.) die elektromagnetischen Wellen auftreten
. Bekanntlich sind bei derartigen Versuchen im Gegensatz zu der telepathischen
Uebertragung bei den „phantasms of the Irving" Visionen oder gar
Halluzinationen selten, vielfach tritt nur ein unanschauliches Wissen um etwas
auf, und außerdem pflegen diese Versuche ohne merkbare Affekte zu verlaufen
. Und zwar müßte man, um sicher zu sein, daß die Uebertragung erst
während des Aufenthaltes in der Kammer vor sich gegangen ist, den jeweiligen
Versuch erst, nach Betreten der Kammer durch das Los bestimmen.
Bisher liegt ein Bericht über derartige Versuche nicht vor, ja sie scheinen noch
nicht angestellt worden zu sein. Cazzamalli würde unsern Dank verdienen,
wenn er seine Versuche nach dieser Richtung hin vervollständigen würde. Erst
bei positivem Ausfall derartiger Versuche wäre es wohl berechtigt, von „Ausstrahlung
von Gehirnwellen bei telepsychischen Phänomenen*' zu sprechen;
nach dem Grundsatz denominatio fit a potiori. scheint es mir vorerst höchstens
erlaubt, von der Ausstrahlung von Gehirn wellen bei halluzinativen
Phänomenen zu sprechen.
Wenn ich nun dazu übergehe, mit aller Vorsicht und ohne jeden Dogmatismus
einige theoretische Erörterungen anzuschließen, so werde ich mich nicht
darauf beschränken, über die nach den Cazzamallischen Untersuchungen wohl
recht wahrscheinlichen elektromagnetischen Wellen bei halluzinatorischen Zuständen
zu sprechen, ich werde vielmehr auch die Möglichkeit erörtern, daß
diese elektromagnetischen Wellen auch mit parapsychischen Phänomenen zusammenhängen
. Denn gerade dieser vorerst unbewiesenen Möglichkeit verdanken
ja die Untersuchungen Cazzamallis in erster Linie das Aufsehen, das sie
vielfach gemacht haben, da man glaubte, nun seien die „Telepathiestrajilen"
erwiesen. Eine solche vorzeitige Popularität pflegt der ruhigen Erörterung und
Klarstellung eher zu schaden als zu nützen, sehen wir demgegenüber einmal
zu, was für ruhige Erwägung die wahre theoretische Bedeutung dieser Erscheinungen
sein könnte.
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